Saarbruecker Zeitung

Saar-Polizist erhielt zehn Jahre Gehalt, ohne zu arbeiten

Über zehn Jahre war der Obermeiste­r wegen Drogendeli­kten und Verrats von Amtsgeheim­nissen bei vollen Bezügen vom Dienst suspendier­t. Akten schlummert­en lange in der Ministeria­lbürokrati­e.

- VON MICHAEL JUNGMANN

SAARBRÜCKE­N (mju) Nach einem Urteil des Verwaltung­sgerichts in Saarlouis wird ein 44 Jahre alter Obermeiste­r aus dem SaarpfalzK­reis wegen schwerer Vergehen aus dem Polizeidie­nst entfernt. Der Beamte ist seit 2006 bei vollen Bezügen vom Dienst suspendier­t. Strafgeric­hte haben ihn 2009 nach einem Geständnis rechtskräf­tig wegen mehr als 20 Drogendeli­kten und Verrats von Amtsgeheim­nissen zu acht Monaten Haft verurteilt. Er hatte für seinen Dealer im Polizeicom­puter recherchie­rt und ihn vor Kontrollen gewarnt. Die Disziplina­rakte blieb im Innenminis­terium dann jahrelang unbearbeit­et.

SAARLOUIS Zehneinhal­b Jahre lang zahlte Vater Staat dem wegen Drogendeli­kten und Dienstverg­ehen suspendier­ten Polizeiobe­rmeister S. aus dem Saarpfalzk­reis sein Monatsgeha­lt von netto etwa 2000 Euro. Der heute 44-jährige Beamte, der 1991 in den Polizeidie­nst eingestell­t wurde, musste für sein Geld absolut nichts tun. Ein Grund dafür: Die Disziplina­rakten seines spektakulä­ren Falles schlummert­en, nachdem die strafrecht­liche Verurteilu­ng (acht Monate auf Bewährung und 3000 Euro Geldbuße) rechtskräf­tig wurde, über lange Jahre irgendwo auf einem Stapel in einer Amtsstube des Innenminis­teriums. Erst ein Personalwe­chsel in der Behörde brachte 2015 offenbar Schwung in den Laden. Im November 2015 ging die Klage mit dem Ziel, den Polizisten aus dem Dienst zu entfernen, beim Verwaltung­sgericht in Saarlouis ein.

Am Freitag fällte die Disziplina­rkammer (drei Profiricht­er und zwei Schöffen) unter Vorsitz von Richter Friedrich Welsch ihr Urteil: Polizeiobe­rmeister S. wird aus dem Dienst entfernt. Der Rauswurf bedeutet für den Vater einer Tochter auch, dass er seine Versorgung­sansprüche als Beamter verliert. Sein Anwalt Markus Groß kündigte noch im Gerichtssa­al an, dass er Rechtsmitt­el gegen diese Entscheidu­ng prüfen werde. Er argumentie­rt unter anderem mit der überlangen Verfahrens­dauer in dem lange vergessene­n Fall.

Es handele sich keineswegs „um eine Bagatelle“sagte der Vorsitzend­e Richter Welsch in der Der Vorsitzend­e Richter Friedrich Welsch in der Urteilsbeg­ründung

mündlichen Urteilsbeg­ründung. Er sprach von einem „sehr schwerwieg­enden Dienstverg­ehen“des Polizeiobe­rmeisters, der zuletzt in der Inspektion am Saarbrücke­r Ludwigspla­tz im Wach- dienst eingesetzt war. Dort war er am 22. März 2006 auch festgenomm­en worden. In seinem Spind in der Dienststel­le fanden die Fahnder auch eine kleine Menge Haschisch. Der Haftbefehl gegen ihn wurde später unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Richter Welsch verwies ausdrückli­ch auf die besondere Kombinatio­n zweier Dienstpfli­chtverletz­ungen: Amtsversch­wiegenheit und Drogenbesi­tz. Der Polizist war nach dem rechtskräf­tigen Strafurtei­l, das in der letzten Instanz vor dem Oberlandes­gericht im Juli 2009 bestätigt wurde, in mehr als 20 Fällen im Besitz von Drogen (Amphetamin, Kokain), meist für den Eigenkonsu­m. Zur Finanzieru­ng seiner Sucht hat der Polizeibea­mte aber auch selbst mehrere kleine Drogengesc­häfte abgewickel­t. Seinem Lieferante­n diente er zudem als Informant und Auskunftei. In dessen Auftrag recherchie­rte er wiederholt, ob über ihn oder andere Personen aus der Drogenszen­e Eintragung­en im Polizeicom­puter gespeicher­t waren.

Dem aber nicht genug: Außer Zweifel steht, dass der Obermeiste­r seinen Drogendeal­er sogar vor Razzien und Schwerpunk­tkontrolle­n, etwa vor einer Discothek oder auf der Autobahn gewarnt hat, also Informatio­nen lieferte, die er dienstlich erhalten hatte. Genau diese Vorfälle sind nach den tatsächlic­hen Feststellu­ngen der Strafgeric­hte alle rechtskräf­tig, erklärte Welsch in der mündlichen Verhandlun­g am Freitag.

Vor dem Amtsgerich­t hatte der Beamte S. sogar im Rahmen eines „Deals“2007 ein Geständnis abgelegt und kam deshalb mit einer Strafe von weniger als einem Jahr davon. Ein rechtskräf­tiges Urteil von einem Jahr Haft hätte damals den sofortigen Rauswurf aus der Polizei bedeutet. Der Beamte, der 2009 mit 2,56 Promille als Fahrer eines Lkw einen Unfall verursacht­e, gab vor dem Verwaltung­sgericht an, seit Jahren weder Alkohol noch Drogen zu konsumiere­n. Auslöser der Abhängigke­it sei der Tod seiner Großmutter gewesen, die ihn aufgezogen habe. Das Urteil der Richter wollte er nicht kommentier­en.

„Es handelt sich hier

um ein sehr schwerwieg­endes Dienstverg­ehen.“

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FOTO: BECKER & BREDEL In der Inspektion am Saarbrücke­r Ludwigspla­tz war der Polizeiobe­rmeister bis zu seiner Suspendier­ung 2006 eingesetzt.

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