USA verhaften bei Razzia hunderte illegale Migranten
Illegalen Einwanderern droht nach Razzien Abschiebewelle. US-Präsident plant neues Dekret zum Einreisestopp.
WASHINGTON (epd) Eine Reihe von Razzien haben Migranten in den USA in Angst und Schrecken versetzt. Bei Durchsuchungen in mindestens sechs Bundesstaaten seien hunderte Einwanderer ohne gültige Papiere festgenommen und teilweise bereits abgeschoben worden, berichteten US-Medien unter Berufung auf die Einwanderungsbehörde. Es ist die bisher größte Aktion der neuen Regierung seit Donald Trumps Anordnung, härter gegen illegale Einwanderer vorzugehen. Auch beim von Gerichten kassierten Einreisestopp für Muslime will der Präsident einen neuen Anlauf wagen.
WASHINGTON Die 35-jährige Garcia de Rayos, Mutter von zwei Kindern, besuchte am vergangenen Mittwoch in Phoenix eine Kirche und betete, bevor sie sich zu ihrem jährlichen Routinecheck zur USEinwanderungsbehörde begab. Es war ihr achter Besuch seit einer Verurteilung im Jahr 2008, nachdem sie eine gestohlene Sozialversicherungsnummer zur Arbeit benutzt hatte. Die Jahre zuvor hatte die sich illegal im Land aufhaltende Frau einer Gerichtsauflage entsprechend ordnungsgemäß auf dem Amt gemeldet und dann zu ihrer Familie zurückkehren können. Doch diesmal klickten die Handschellen: Abschiebehaft. Wenig später brachten Grenzschützer sie und ihre Kinder, die freiwillig mit ausreisten, zur Grenze von Mexiko.
García de Rayos dürfte das erste Opfer von Donald Trumps neuer Politik gegenüber Migranten gewesen sein, die sich unberechtigt in den Vereinigten Staaten aufhalten und nicht als Schwerkriminelle gelten. Denn während sein Vorgänger Barack Obama in den acht Jahren als Präsident rund zweieinhalb Millionen Menschen in ihre Heimatländer abschob, so waren diese vor allem Drogenhändler, Einbrecher oder Vergewaltiger, die ihre Strafen verbüßt hatten. Doch nun gehen die Uhren anders: Wer wie de Rayos – die vor 29 Jahren als Teenager illegal über die Grenze ins Land gekommen war – Delikte begangen hat, die unter der Schwelle von Gewalttaten liegen, muss ebenfalls mit Festnahme und Abschiebung rechnen. In mehreren Metropolen wurden auch am Wochenende weiter Illegale vor laufenden TV-Kameras in „Deportationshaft“genommen, während gleichzeitig empörte Demonstranten für sie auf die Straße gingen.
Greg Stanton, ein Demokrat und der Bürgermeister der Millionen-Stadt Phoenix, nannte die Abschiebung von de Rayos jetzt eine „Travestie“. Statt sich auf Drogenhändler und andere Verbrecher zu konzentrieren, sei eine Frau abgeschoben worden, die mit ihren in den USA geborenen Kindern für niemanden eine Gefahr gewesen sei. Doch Beamte des Heimatschutz-Ministeriums verteidigten die Aktionen: Es würden lediglich bestehende Gesetze angewandt, die unter Obama nicht beachtet worden seien.
Die Furcht vor Massenabschiebungen ist nun groß in Städten und Bundesstaaten, in denen Migranten mit illegalem Status einen hohen Bevölkerungsanteil haben. Die Organisation „Voces de la Frontera“ („Stimmen der Grenze“) hat für heute einen landesweiten Protesttag organisiert, der von Streiks und Boykotten begleitet werden soll. Alle Illegalen im Land wurden ermuntert, ihre Kinder nicht in die Schule zu schicken, nicht zur Arbeit zu gehen und nicht einzukaufen.
Beteiligen will sich auch Maria B. aus dem Bundesstaat Texas, die ihren vollen Namen aus Furcht nicht nennen will. Sie und ihr Mann halten sich seit langem ohne gültige Papiere im Land auf und sagen: „Wir schlafen nicht mehr und fahren nicht mehr Auto, seit Trump gewonnen hat. Jedes Klopfen an der Tür oder jeder Stopp kann die Abschiebung bedeuten.“
Doch für den Präsidenten geht es lediglich darum, eines seiner wichtigsten Wahlversprechen einzulösen. Nicht nachgeben will Trump auch bei der so umstrittenen Frage, wer künftig ins Land gelassen wird. Schon heute könnte es nach Angaben von Beratern einen neuen überarbeiteten Erlass geben, der die zuletzt so kritisierten und von Richtern gestoppten Beschlüsse ersetzt, die Flüchtlingen und Bürgern aus sieben muslimischen Staaten temporär die Einreise verwehrt hatten. Eine Berufung vor dem Obersten Gerichtshof, dem „Supreme Court“, will der Republikaner womöglich vermeiden – und stattdessen mit einer vom Justizministerium ausgetüftelten Anordnung nun vor allem eine schärfere Überprüfung aller Einreisewilligen erreichen, wie er selbst andeutete.