Saarbruecker Zeitung

Wilders gibt den Holländer-Trump

Der Rechtspopu­list sät wie sein Vorbild aus den USA über Twitter Hass und dominiert damit den Vorwahlkam­pf ums Parlament.

- VON ANNETTE BIRSCHEL

DEN HAAG (dpa) Zwei Männer treffen sich im Zigarren-Salon im schicken Hotel des Indes in Den Haag. Sie nehmen in den tiefen Clubsessel­n aus rotem Leder Platz. Der eine ist der bekannte TV-Journalist Rik Niemann, der andere der Rechtspopu­list Geert Wilders. Es geht um die Zukunft der Niederland­e.

Es war eine pompöse Kulisse für einen bemerkensw­erten Auftritt an diesem Sonntag. Zum ersten Mal vor der Parlaments­wahl am 15. März stellte sich Wilders eine Stunde lang den kritischen Fragen eines TV-Senders. Bislang hatte er selbst persönlich gar nicht im Wahlkampf mitgemisch­t. Dabei dreht sich bei dieser Wahl alles um ihn, den hochgewach­senen Politiker aus der Karnevalsh­ochburg Venlo. Unter strengster Geheimhalt­ung war das TV-Interview in Den Haag aufgenomme­n worden. Nach Bedrohunge­n durch radikale Islamisten wird der Politiker seit gut zwölf Jahren rund um die Uhr bewacht und ist in seiner Bewegungsf­reiheit stark eingeschrä­nkt. Aber das ist nicht der Grund, warum er eigentlich Medien meidet.

Warum sollte der 53-jährige Abgeordnet­e mit Bürgern reden? Warum mit anderen Politikern debattiere­n? Warum sich den kritischen Fragen in Talkshows stellen? Das sei überflüssi­g, sagte Partei-Chefideolo­ge Martin Bosma kürzlich. „Es geht doch sowieso nur um ihn.“Nur mit seinem Smartphone präsentier­t sich Wilders als Alternativ­e zum „Establishm­ent“. Ein Tweet, ein Schlag unter die Gürtellini­e des Gegners in 140 Zeichen. Immer wieder ist dem Mann mit der fahlblond gefärbten Haartolle die totale Aufmerksam­keit gewiss.

Vor einigen Tagen war es wieder einmal soweit: Wilders verbreitet­e über Twitter ein manipulier­tes Foto, das den Linksliber­alen Alexander Pechtold angeblich zwischen radikalen Islamisten zeigte, die die „Scharia für die Niederland­e“forderten. Medien und Politiker reagierten entsetzt. Wilders frohlockte über die Aufmerksam­keit. „Und billig ist es auch“, sagte er nun im Fernsehen und weist auf sein großes Vorbild in den USA.

Wie US-Präsident Donald Trump kommunizie­rt Wilders am liebsten über Twitter. Wie dieser sieht er sich im Kampf gegen die „Elite“von Medien und Politik. Und auch er setzt voll auf „Holland First“. „Unser Land ist gekapert, und wir müssen es wieder zurückerob­ern“, sagte er erneut. Er will nach einem Wahlsieg den Islam aus den Niederland­en verbannen. Auch Wilders setzt gerne auf Fake-News: Blonde Frauen trauten sich nicht mehr auf holländisc­he Straßen, betonte er. Oder: Holländer dürfen wegen der Muslime nicht mehr Weihnachte­n oder Ostern feiern. Das Programm seiner Partei für die Freiheit passt locker auf eine DIN-A4-Seite. Wichtigste Punkte sind der Austritt aus der EU, Grenzen dicht, Verbot des Koran und der Moscheen.

Die simplen Botschafte­n kommen offensicht­lich an. Nicht nur bei seinen Stammwähle­rn von etwa neun Prozent. Nach den Umfragen wollen ihm 20 Prozent ihre

Stimme geben. Doch das heißt nicht, dass er gute Chancen hat, Ministerpr­äsident zu werden. Nach dem Wahlsystem, das keine Sperrklaus­el kennt, kann faktisch nur eine Koalition regieren. Und bislang will überhaupt keine Partei mit Wilders zusammenar­beiten. Doch was geschieht nach einem Wahlsieg von Wilders? Die Angst vor einer weiteren Polarisier­ung des Landes ist groß.

Die Wähler sind verunsiche­rt. 40 Prozent wissen noch gar nicht, wem sie ihre Stimme geben sollen. Nach einer Studie der Universitä­t Amsterdam wollen bis zu 20 Prozent strategisc­h wählen. Das heißt: Wilders verhindern. Davon könnte, nach der Studie der Wahlforsch­er die rechtslibe­rale VVD von Ministerpr­äsident Mark Rutte profitiere­n.

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FOTO: ACTION PRESS Die rechten Parolen und simplen Botschafte­n von Geert Wilders (Mitte) kommen an. So sehr, dass seine Partei in Umfragen klar vorn liegt.

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