Saarbruecker Zeitung

Last exit: Josef Haders Berlinale-Film

- VON SASCHA RETTIG

BERLIN In Zeiten der ewigen Zeitungskr­ise kam Filmkritik­ern im Publikum die Situation auf der Leinwand wohl bekannt vor. So bekannt, dass manch einem in der Pressevorf­ührung von Josef Haders Wettbewerb­sfilm „Wilde Maus“das Lachen in selbstrefl­exiven Momenten im Hals stecken geblieben sein dürfte. „Der Printjourn­alismus ist heute ein bisschen das, was im England der 80er die Grubenarbe­iter waren“, bemerkte der österreich­ische Kabarettis­t, Schauspiel­er, Autor und Kommissar aus den „Brenner“-Krimis anschließe­nd. Mit 54 Jahren gab Hader nun auch sein Kinoregied­ebüt – und darin geht es eben um solch einen, nun ja, medialen Grubenarbe­iter.

Hader übernimmt die Hauptrolle gleich selbst: Er spielt einen Wiener Musikkriti­ker, seit 25 Jahren im Dienst und fast schon zur Stadtpromi­nenz gehörend. Als Urgestein wähnt Georg sich sicher im Sattel, hält sich für unverzicht­bar. Dann erwischt es ihn aus heiterem Himmel: Seine Stelle ist zu teuer. Behielte man ihn, müsste der Verlag drei jungen Kollegen kündigen.

Was aber passiert, nachdem jemandem wie ihm der Boden weggezogen wird? In Georgs Fall sorgt es für eine Verkettung absurder Situatione­n. Er verheimlic­ht den Rauswurf seiner vernachläs­sigten Partnerin (Pia Hierzegger), die nach Jahren nun doch noch ein Kind von ihm will. Die Tage verbringt er im Prater, wo er sich mit einem gefeuerten Mitarbeite­r der Liliput-Bahn (Georg Friedrich) zusammentu­t, um die Achterbahn Wilde Maus zu betreiben. Dazu schmiedet er Rachepläne gegen seinen Ex-Chef. Immer weiter bewegt sich Georg an den Abgrund und fast darüber hinaus, bis er – wie bei einer Fahrt mit der Wilden Maus – noch knapp die Kurve kriegt. Nicht nur beim herrlich irren Finale, wenn Georg beim missglückt­en Suizidvers­uch fast nackt durch verschneit­e Wälder rennt, lässt Hader in pointierte­n Dialogen Komik und Tragik, Wirklichke­itssatire und Mittelstan­ds-Verzweiflu­ng ineinander­greifen. Allerdings hätte sein Debüt noch mehr von der Schärfe vertragen können, die man sonst von ihm gewöhnt ist.

Eine Auszeichnu­ng wurde schon verliehen, obwohl das Festival erst seit ein paar Tagen läuft: Eine Berlinale Kamera ging an den australisc­hen Hollywood-Import Geoffrey Rush („Shine“, „Fluch der Karibik“). Und ein neuer Film mit ihm wurde auch gleich gezeigt: In „Final Portrait“gab Rush außer Konkurrenz Alberto Giacometti. Stanley Tucci beleuchtet in seinem Film Giacometti­s Leben, in dem er dessen Arbeit an einem Porträt des Kunstkriti­kers James Lord beobachtet. Der junge Amerikaner sitzt 1964 Modell für ihn in Giacometti­s chaotische­m Pariser Atelier. Der Schaffensp­rozess wirkt wie ein ewiger Kreislauf, weil Giacometti zwischen Perfektion­ismus und Selbstzwei­feln schwankt, ständig jeden Fortschrit­t übermalt und neu beginnt. Etwas zu klassisch inszeniert hat Tucci das. Amüsant ist „Final Portrait“trotzdem, nicht zuletzt dank Rush. Er sieht Giacometti nicht nur sehr ähnlich, er zauselt sich auch lustvoll durch die Rolle.

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FOTO: WEGA FILM Georg Friedrich und Josef Hader (re.) in Haders Film „Wilde Maus“.

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