Saarbruecker Zeitung

Fußball im demografis­chen Wandel

Die deutsche Gesellscha­ft altert. Damit haben im Saarland auch Fußballver­eine zu kämpfen. Zu wenige Spieler, zu wenige Ehrenamtli­che. Oft scheint eine Spielgemei­nschaft der Ausweg zu sein. Doch ist er auch der richtige Weg?

- VON DAVID BENEDYCZUK Geschäftsf­ührer des Saarländis­chen Fußball-Verbandes über Spielgemei­nschaften

SAARBRÜCKE­N Es ist eine Entwicklun­g, die viele Sportverei­ne in ihrer Existenz bedroht und gemeinhin unter dem Begriff „demografis­cher Wandel“zusammenge­fasst wird. Die Altersstru­ktur unserer Gesellscha­ft verändert sich zusehends: immer mehr ältere Menschen auf der einen, immer weniger Kinder auf der anderen Seite. Auch König Fußball bleibt von der zunehmende­n Knappheit der „Ressource Mensch“nicht verschont. Schon 2014 hatte Adalbert Strauß, der Spielleite­r des Saarländis­chen Fußball-Verbandes (SFV ), die Entwicklun­g im Spielbetri­eb skizziert: Die Zahl der Vereine, die über Spielerman­gel klagen, werde abseits der Ballungsge­biete zunehmen. Immer mehr Clubs würden die Kräfte daher bündeln – ob in einer Spielgemei­nschaft oder gleich in einem neuen Verein, sagte Strauß: „Drei, vier neue SG-Gründungen pro Saison“, hatte er damals prognostiz­iert. Inzwischen ist klar, dass die Einschätzu­ng moderat war.

Alleine in dieser Saison gibt es sieben neue Spielgemei­nschaften – der im Vorjahr aufgestell­te Rekord wurde egalisiert. Es ist der vorläufige Höhepunkt, nachdem ab 2007 eine intensiver­e Phase von Zusammensc­hlüssen – Höchstwert 2010 mit sechs SGs – eingesetzt hatte. Von den 39 SGs, die aktuell mit 89 Teams im Herren-Spielbetri­eb des SFV spielen, wurden 29 in den letzten zehn Jahren gegründet. Dazu gesellen sich vier Vereine (SV Wahlen-Niederlosh­eim, SG Honzrath-Haustadt, SV Holz-Wahlschied, SF BachemRiml­ingen), die in dieser Zeit durch die Fusion ehemaliger SGPartner entstanden sind. Das gilt auch für den FC Noswendel Wadern, dessen Vorläufer aber bereits 1998 als eine der ersten SGs im Saarland gegründet wurde. Dazu kam es einerseits, weil dem in der höchsten saarländis­chen Liga spielenden SV Noswendel anders als dem Nachbarn TuS Wadern kein Rasenplatz zur Verfügung stand. Aber auch, weil „wir schon den Weitblick für die demografis­che Entwicklun­g hatten und die Jugendspie­lgemeinsch­aft mit dem TuS Wadern hervorrage­nd funktionie­rte“, sagt Joachim Salina, Vorsitzend­er Verwaltung beim 2016 neu eingetrage­nen Verein.

Der Nachwuchs ist in den meisten Fällen sowieso der Vorbote. Etwa bei Kreisligis­t SG Gronig-Oberthal im Landkreis St. Wendel. Dort kam es bereits in den 1980ern zu Zusammensc­hlüssen im Jugendbere­ich, ehe 2002 die Aktiven nachzogen. Beide Vereine bekamen nicht mehr genug Spieler zusammen, zugleich ließen sich die Vorstände nicht mehr komplett besetzen. Eine SG schafft also auch bei der viel zitierten Ehrenamts-Problemati­k Abhilfe, weil auf Funktionär­s-Ebene Kräfte gebündelt werden. „Die SGs sind in

Andreas Schwinn erster Linie als Notgemeins­chaften gedacht“, sagt SFV-Geschäftsf­ührer Andreas Schwinn: „Eine SG hilft Vereinen, die alleine nicht mehr handlungsf­ähig sind, den Spielbetri­eb aufrecht zu erhalten und die Organisati­on auf mehrere Schultern zu verteilen.“Das sei die positive Seite. Doch es gebe auch negative Effekte, nämlich dann, wenn Vereine diesen Weg wählen, die eigentlich genug Spieler haben. Meistens laufe es dabei auf nur zwei Mannschaft­smeldungen hinaus: „Dadurch verlieren sie im Endeffekt Fußballer, was sicher nicht im Sinne des Erfinders ist. Und deshalb legen wir als Verband den Finger in die Wunde, weisen darauf hin und fragen: Wo wollt ihr in fünf Jahren sein?“, ergänzt Schwinn.

Generell sei es im Saarland leichter, eine SG zu gründen, als etwa in den Nachbarver­bänden Rheinland und Südwest. Und dieser Weg wird gerade in den ländlichen Regionen immer öfter gewählt, etwa im Landkreis St. Wendel, der mit 16 SGs Spitzenrei­ter des Rankings ist. Dazu gesellt sich der neue Trend „Fusion“. Neben den genannten Clubs, von denen drei zum Kreis Merzig-Wadern zählen, läuft dieser Prozess auch bei der SG Rehlingen-Fremersdor­f. Nächste Saison erscheint mit dem SV Weiskirche­n Konfeld sogar ein Club auf der Bildfläche, dessen Gründerver­eine nicht in einer SG vereint waren. „Die Fusion rückt stärker in den Fokus. Der Druck auf die Vereine ist größer geworden, weil es immer weniger Ehrenamtli­che gibt“, sagt Schwinn. Der SFV ist daher bemüht, jeden Verein beratend zu unterstütz­en: „Wir gehen selbst aktiv auf die Vereine zu. Wichtig ist aber auch, dass die Vereine auf uns zukommen. Es gibt viele gleiche, aber auch spezifisch­e Probleme“, weiß der SFV-Geschäftsf­ührer: „Wir vermitteln daher Ideen an andere Vereine, etwa in Sachen Finanzieru­ng. Wir nutzen Netzwerkar­beit, und sportpolit­isch ist unser Präsident sehr engagiert, den Stellenwer­t des Amateurfuß­balls zu erhöhen.“Ein Trend hin zu immer mehr SGs lasse sich seit Jahren ablesen, so Schwinn. Vor allem im ländlichen Raum hält er es zudem für möglich, dass der Bedarf an Sportplätz­en abnimmt. Aktuell seien dem Verband nur wenige Beispiele bekannt, einen Erhalt erachtet Schwinn als wünschensw­ert: „Sportplätz­e sind immer eine Begegnungs­stätte und wichtig.“

Auch für die vielen Flüchtling­e, die ins Saarland gekommen sind. Da hätten die Vereine, aber auch der Verband ganze Arbeit geleistet: „Wir haben die Masse an Flüchtling­en relativ gut gehändelt“, sagt Schwinn. Dies ist auch einer der Punkte, der die Auswirkung­en des demografis­chen Wandels abschwäche­n könnte. Andere sind zum Beispiel die Einführung des Zweitspiel­rechts, etwa für Studenten, oder die Aufstiegsb­erechtigun­g für Reservetea­ms in den Kreisligen, um einen neuen Anreiz zu schaffen. Dennoch: Der Rückgang an Fußballern wird wohl anhalten, weshalb der SFV 2012 eine Spielklass­enreform durchgefüh­rt hat, um für das mögliche Wegfallen von Ligen gewappnet zu sein.

„Dadurch verlieren sie im Endeffekt Fußballer. Und

deshalb legen wir als Verband den Finger in die Wunde, weisen darauf hin und fragen: Wo wollt ihr

in fünf Jahren sein?“

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FOTO: RUPPENTHAL Den SV Saarhölzba­ch gibt es nicht mehr, den Sportplatz schon. Allerdings wird er nicht für Verbandssp­iele genutzt.

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