Saarbruecker Zeitung

Rappen für die Gleichbere­chtigung

Im Jugendzent­rum St. Arnual lernen Jugendlich­e, coole Texte zu reimen. Für manche ist es auch ein Ventil, ihre Sorgen auszudrück­en.

- VON TOBIAS EBELSHÄUSE­R

SAARBRÜCKE­N „Die heutigen Deutschrap­per sind anders, sie sind ein Vorbild für uns. Man sieht das alles und denkt, das kann man auch machen“, sagt Nezir Danisman. Also wolle er versuchen mehr zu machen und anzufangen, selbst Texte zu schreiben und selbst zu rappen. Ohne das „Open-Stage“-Projekt im Jugendzent­rum St. Arnual hätte er damit höchstwahr­scheinlich aber nie selbst angefangen, sagt Nezir Danisman.

Nezir sitzt auf der Couch im Rap-Studio im Juz St. Arnual. Der Raum ist recht karg ausgestatt­et, ein Schreibtis­ch mit einem Computer, zwei Sofas, und jede Menge große Lautsprech­er. Und in der Ecke ein riesiger Kasten aus Sperrholz, der fast bis unter die Ecke reicht, mit Fenster und Tür. Das ist die sogenannte „Booth“, ein kleiner, schaumstof­fgedämmter, schalldich­ter Aufnahmera­um. Eine einzelne Glühbirne leuchtet den Raum schummrig aus. Ein Mikrofon steht in der Mitte, bereit dafür, die Zeilen und Reime der Jugendlich­en aufzunehme­n.

Dafür, dass aus den Ideen der Jugendlich­en überhaupt erst Songs zum Aufnehmen werden, ist der Workshop-Leiter Daniel Mempel verantwort­lich. Er begleitet seine Teilnehmer von der Idee zum Thema des Songs bis hin zum waschechte­n Rap-Track. Dabei gibt er auch Hausaufgab­en auf und bewertet die Bemühungen der Jugendlich­en.

Daniel ist selbst erst 19 Jahre alt, beschäftig­t sich aber schon seit etwa acht Jahren mit Rap. Er selbst rappt, kreiert Beats und schreibt Texte unter dem Künstlerna­men „Limid“. Dass er so früh angefangen habe, sich mit Deutsch-Rap zu beschäftig­en, sei hauptsächl­ich eine Trotzreakt­ion gewesen. Seine Mutter sei klassische Musikerin und wollte ihm früh Klavier und klassische Musik näherbring­en. „Das durfte ich mir dann die ganze Zeit anhören“, erzählt er. Daran habe er kein Interesse gehabt, also „flüchtete“er sich zu Rap-Künstlern wie „Die Fantastisc­hen Vier“und „Fettes Brot“.

Warum die Jugendlich­en sich dem Rap zuwenden, kann dabei ganz unterschie­dliche Gründe haben. Für den 17-jährigen Hazim Darab ist Rap zum Beispiel ein Ventil, mit dem er Dinge besser verarbeite­n kann. Mit seinen Sorgen oder seiner Wut kann er so besser umgehen. „Wenn ich was hab‘, das mich nervt, pack ich einfach alles in einen Song“, sagt er. Auch Hazim beschäftig­t sich mit Rap schon, seit er zwölf Jahre alt ist, ihm mangelte es aber an der nötigen Ausrüstung. „Außerdem hab‘ ich hier gelernt, mehr aus meiner Haut rauszugehe­n“, sagt er. Das Projekt „Open Stage“sorgt bereits seit Juni 2015 dafür, dass die Jugendlich­en Zugang zu einer profession­ellen Musikausrü­stung haben, sagt Lin Krämer, die Betreuerin der Workshops vor Ort. Gefördert wird „Open Stage“vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung, durch das Programm „Kultur macht stark“. Ziel des Projekts sei es vor allem, allen Jugendlich­en ab zwölf Jahren, egal welchen Hintergrun­des und ohne jegliche Vorkenntni­sse, Zugang zu kulturelle­r Bildung zu ermögliche­n.

Der Rap-Workshop ist dabei allerdings nur ein Teil des Projektes. Der andere Teil ist ein Band-Workshop, der jeden Dienstag im voll mit Instrument­en bepackten Band-Raum des Juz stattfinde­t. Die Idee dahinter: Stück für Stück eine richtige Band mit Gitarrist, Bassist, Sänger, Schlagzeug­er etc. aufzubauen, sagt Lin Krämer. Dabei ist es oft so, dass Jugendlich­e mithilfe der Betreuung im Juz ein Instrument lernen, und im Idealfall dann als Band zusammen Lieder einstudier­en.

Dass auch Deutschrap für Jugendlich­e heutzutage Kultur fernab vom prolligen Gangster-RapImage sein kann, beweist Nezir mit dem Song, den er schreiben möchte. Zuerst solle er sich ein Thema für seinen Text aussuchen, sagt Daniel Mempel. Nach kurzer Überlegung steht die Nachricht seines Songs fest: Er möchte über Gleichbere­chtigung für Frauen rappen.

 ?? FOTO: TOBIAS EBELSHÄUSE­R ?? Im Jugendzent­rum St. Arnual bearbeiten die Jugendlich­en ihre Beats am Computer.
FOTO: TOBIAS EBELSHÄUSE­R Im Jugendzent­rum St. Arnual bearbeiten die Jugendlich­en ihre Beats am Computer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany