Saarbruecker Zeitung

Wie ein Vogel eine Familie rettete

Nach einem Unfall war Sam Bloom querschnit­tsgelähmt. Aus ihren Depression­en kam sie mit Hilfe einer australisc­hen Elster heraus.

- VON CHRISTOPH SATOR

BANGKOK (dpa) Den Moment, an dem für seine Familie die Zeit stillstand, wird Cam Bloom nie vergessen. Zusammen mit seiner Frau Sam und den drei kleinen Söhnen machte der australisc­he Fotograf im Januar 2013 Urlaub am Golf von Thailand, in einem kleinen Ort an der Küste. Nach einem Morgen am Strand lehnte sich seine Frau auf der Terrasse des Hotels ans Geländer – ein paar stabil aussehende Eisenstäbe, im Innern aber von Trockenfäu­le zerfressen. Es brach.

„Für einen unendlich langen Augenblick“, erinnert sich Cam, „schwebte Sam über der Kante.“Dann stürzte sie sechs Meter nach unten. Als er sie das nächste Mal sah, ragte ihr ein „scheußlich knochiger Buckel aus dem Rücken“. Seither ist die inzwischen 45-jährige Krankensch­wester querschnit­tsgelähmt. Trotzdem ist ihre Geschichte bis dahin nur ein einzelnes Schicksal, eines von vielen Millionen, vom anderen Ende der Welt. Dass daraus ein internatio­naler Bestseller wurde, der diese Woche auf Deutsch erscheint und demnächst auch verfilmt wird, mit Hollywood-Star Naomi Watts als Sam, hat mit einem Vogel zu tun: mit einem „Australian Magpie“, einer „Australisc­hen Elster“. Was genau genommen aber keine Elster ist, sondern eine Krähe. Die, damit die Dinge ein wenig komplizier­ter werden, von den Blooms auch noch den Namen Penguin (Pinguin) bekam.

Noah, der mittlere Sohn, hatte den Vogel als Küken auf einem Parkplatz gefunden, drei Monate, nachdem Sam aus der Klinik entlassen worden war und schwer an Depression­en litt. Das Vogeljunge war aus 20 Metern Höhe aus seinem Nest gefallen. Einer der Flügel hing so schlaff herab, dass es vermutlich nie fliegen können würde. Noah brachte die kleine Krähe zu den Blooms nach Hause. Durch die ungewöhnli­ch großen Füße ähnelte sie damals einem und stellte sie ins Internet. Dem Instagram-Konto „penguinthe­magpie“folgen inzwischen mehr als 140 000 Leute. Das Buch schaffte es bis an die Spitze der australisc­hen Bestseller-Liste, ist auch schon ins Japanische und Koreanisch­e übersetzt. Demnächst erscheint es in den USA.

Heute lebt Penguin nicht mehr bei den Blooms. Irgendwann gelang es dem Vogel doch zu fliegen. Vor anderthalb Jahren, erzählt Cam, verabschie­dete er sich dann ganz. Aber da war die schwierigs­te Zeit für Sam, Cam und die drei Jungs schon überstande­n. „Zu Beginn dachten wir, wir würden Penguin retten. Aber nun wissen wir, dass dieser bemerkensw­erte kleine Vogel uns stärker gemacht hat.“

Und heute? Sam Bloom sitzt weiterhin im Rollstuhl. „Ihr geht es wie immer“, sagt ihr Mann lapidar. Sie selbst schreibt im Nachwort des Buches: „Gelähmt zu sein ist ein bisschen, wie wenn Sie aus dem Koma erwachen und plötzlich 120 Jahre alt sind. Ihre Familie und Ihre Freunde erwarten, dass Sie froh sind, noch am Leben zu sein. Aber alles, was Sie tun, läuft sehr langsam und bereitet Ihnen große Schmerzen.“Mittlerwei­le hat sie Kajakfahre­n gelernt.

Cam Bloom (ebenfalls 45) arbeitet wieder häufiger als Fotograf. Die Jungs sind nun zwischen 11 und 14, gehen immer noch zur Schule. Und seit ein paar Monaten beherberge­n die Blooms wieder einen Vogel zu Hause, zwei sogar. Im Herbst lasen sie zwei junge Krähen, die aus dem Nest gefallen waren, vom Boden auf. Eine bekam den Namen Puffin, die andere heißt Panda.

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