Debatte ist nur eine Momentaufnahme
KOMMENTAR
Niemand braucht in Deutschland Hitler-Verehrer und Geschichtsklitterer. Wenn die AfD wirklich auf die Ewiggestrigen setzen wollte, dann wäre sie auf den Wählerfundus aus NPD, Reichsbürgern und sonstigen Spinnern angewiesen, das sind zwei Prozent. In Deutschland ist das Bekenntnis zur Geschichte weitgehend Konsens. Eine rechte Partei wird nicht aus Gründen des Revisionismus gewählt, sondern aufgrund neuer Themen: Flüchtlinge, Abneigung gegen den Islam. Insofern könnte man denken, der Beschluss für ein Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke sei der Versuch einer grundsätzlichen Klärung in dieser Angelegenheit. Ist er aber nicht. Er ist bloß Ausdruck des laufenden Machtkampfes und eine Momentaufnahme. Es ist völlig offen, wie die Schiedsgerichte entscheiden werden, und die unwahrscheinlichste Variante ist, dass Höcke am Ende aus der Partei fliegt. Der Thüringer ist nämlich nicht allein. Die Erinnerungskultur-Kritiker und Deutschnationalen machen einen wesentlichen Teil der Partei aus. Ganz sicher in den ostdeutschen Landesverbänden und mit Alexander Gauland bis in die Spitze. Andere, wie Co-Parteichef Jörg Meuthen, spielen mit diesen Leuten, brauchen sie, um zum Beispiel Frauke Petry zu verhindern. Die selbst wiederum auch kein Problem mit den ganz Rechten hätte, wenn es gerade andersherum nützlich wäre. Da hatte das Parteigericht gegen eine Auflösung des AfD-Landesverbandes wegen Kontakten zu Rechtsextremen entschieden. LÜHMANN Sehr wahrscheinlich wird es genauso verlaufen wie beim saarländischen Landesverband. Zunächst wird ja das thüringische Schiedsgericht entscheiden, das ohnehin mit Höcke-Leuten besetzt ist. Da braucht er sich gar keine Sorgen zu machen. Und das Bundesschiedsgericht wird vermutlich ähnlich urteilen. Das macht deutlich, dass es eher darum geht, Pflöcke einzuschlagen, als Höcke wirklich aus der Partei zu entfernen.
Wäre es nicht eine verheerende Schlappe für Petry, wenn der Parteiausschluss scheitert?
LÜHMANN Vermutlich schon. Sie geht eben ein hohes Risiko ein, weil sie endlich eine Klärung haben will, ob sie gewinnt oder der Höcke-Flügel. Vermutlich wird sie es sein, die diesen Machtkampf verliert. Zwar ist der rechtsextreme Flügel nicht der größere, aber er ist der einflussreichere. Mit Alexander Gauland, Jörg Meuthen oder André Poggenburg sind es ja die Schwergewichte, die sich gegen sie stellen. Auch die Basis ist Befragungen zufolge knapp mehrheitlich gegen Petry.
Das Gespräch führte Iris Neu-Michalik