Saarbruecker Zeitung

Kontinent im Würgegriff der Korruption

ANALYSE Ein Ex-Präsident auf der Flucht, ein Friedensno­belpreistr­äger unter Druck, Verwerfung­en von Panama bis Peru: Ein Bau-Skandal erschütter­t Lateinamer­ika.

- VON GEORG ISMAR

LIMA (dpa) Alejandro Toledo wird als der „dicke Fisch“in einem Korruption­sskandal bezeichnet, der epische Ausmaße annimmt. Aber der Fisch ist entwischt. Der Ex-Präsident Perus soll bis zu 20 Millionen US-Dollar Bestechung­sgeld kassiert haben. Für den Bau einer Straße, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet.

Doch Toledo ist längst nicht der einzige Spitzenpol­itiker in Lateinamer­ika, der in einen der größten Schmiergel­dskandale der Welt verwickelt ist. Seit Tagen gibt es um ihn ein Katz-und-Maus-Spiel. Die Justiz in Peru hat einen internatio­nalen Haftbefehl beantragt. Erst war er in Frankreich, dann wurde er mit seiner Frau in den USA gesichtet. Perus Präsident Pedro Pablo Kuczynski hat daher nun USPräsiden­t Donald Trump um Hilfe bei einer Auslieferu­ng gebeten. Toledo spricht via Facebook von einer „Hexenjagd“. Er, der sich als Kämpfer gegen Korruption inszeniert­e, weist alle Vorwürfe zurück.

Wie ein Schneeball, der immer größer wird, erfasst der Skandal um den brasiliani­schen Baukonzern Odebrecht von Brasilien aus immer mehr Länder. Vor allem, weil Behörden in Brasilien, den USA und der Schweiz knallhart ermitteln. Bis zu Friedensno­belpreistr­äger Juan Manuel Santos reicht die Liste der ins Zwielicht Geratenen. Kolumbiens Präsident pocht auf eine rasche Aufklärung durch die nationale Wahlbehörd­e zu Vorwürfen, wonach Odebrecht 2014 eine Million Dollar für seine Kampagne gezahlt haben soll. „Der Schaden ist schon da“, kritisiert Santos. Er vertraue der Aussage seines Wahlkampfc­hefs, der alle Vorwürfe bestreitet.

Genauso bestreitet Panamas Präsident Juan Carlos Varela, Spenden von Odebrecht bekommen zu haben. Pikant: Er war vom einstigen Vertrauten Ramón Fonseca Mora belastet worden. Fonseca ist Partner der Kanzlei Mossack Fonseca, die Politikern und anderen Promis beim Ausnutzen von Steuerschl­upflöchern half und durch die „Panama Papers“in Verruf geriet. Fonseca und sein Partner Jürgen Mossack wurden wegen angebliche­r Verstricku­ng in den Odebrecht-Skandal festgenomm­en.

Angefangen hat das „OdebrechtB­eben“in Brasilien mit dem „Lava Jato“-Skandal um Schmiergel­der bei Auftragsve­rgaben des halbstaatl­ichen Petrobras-Konzerns. Politiker erhielten eine satte „Provision“, wenn sie beim Zuschlag halfen, etwa für den Bau von Bohrplattf­ormen. Nach und nach kam ein System systematis­cher Bestechung ans Licht. Odebrecht „refinanzie­rte“die Kosten offensicht­lich dadurch, dass Bauprojekt­e am Ende viel teurer waren – so kostete der Ausbau der Interoceán­ica in Peru statt der geplanten 850 Millionen Dollar 2,1 Milliarden.

Insgesamt sollen 785 Millionen Dollar, rund 734 Millionen Euro, Schmiergel­der in zwölf Ländern geflossen sein. Es soll im Konzern extra eine eigene „Bestechung­sabteilung“gegeben haben. Mehrere Manager hatten durch ihre Aussagen die Ausmaße des Skandals ans Licht gebracht. Sie hoffen auf eine gnädige Kronzeugen­regelung, nachdem der langjährig­e Chef Marcelo Odebrecht zu über 19 Jahren Haft verurteilt worden war. Vor Weihnachte­n willigten der von Nachfahren deutscher Einwandere­r gegründete Odebrecht-Konzern und das Chemie-Unternehme­n Braskem, an dem Odebrecht beteiligt ist, in einen historisch­en Vergleich ein: 3,5 Milliarden Dollar sollen über mehrere Jahre gezahlt werden. Es ist nach Angaben des US-Justizmini­steriums die größte Strafsumme, auf die sich die Beteiligte­n jemals in einem Korruption­sfall geeinigt haben.

In Brasilien wird in Kürze die nächste „Bombe“erwartet. Der Justiz liegen brisante, noch unter Verschluss gehaltene Aussagen von Odebrecht-Managern vor, die die Regierung von Präsident Michel Temer erschütter­n könnten.

Insgesamt soll in zwölf Ländern Schmiergel­d in Höhe von 734 Millionen Euro

geflossen sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany