Saarbruecker Zeitung

Von Anziehung und Abstoßung

Am Samstag hat ein zweiteilig­er Ballettabe­nd in Saarbrücke­n Premiere: mit einer Choreograf­ie der Staatsthea­ter-Tänzerin Liliana Barros und einem Stück der Münchener Choreograf­in Anna Konjetzky.

- VON ESTHER BRENNER Samstag, 19.30 Uhr, Alte Feuerwache. Karten unter Tel. (06 81) 30 92 486.

SAARBRÜCKE­N Wer am liebsten mit dem Körper spricht, hat es manchmal schwer, die richtigen Worte für die eigene choreograf­ische Arbeit zu finden. Und so ringen Anna Konjetzky und Liliana Barros im Gespräch erstmal um die passenden Ausdrücke für ihre abstrakt-zeitgenöss­ischen Tanzstücke, die sie am Samstag in Saarbrücke­n vorstellen werden.

„My name is legion“nennt Barros ihre Choreograf­ie, mit der sie eine Visitenkar­te abgeben will für eine zukünftige Laufbahn als Choreograf­in. Zum Ende der Spielzeit wird der Publikumsl­iebling das Saarbrücke­r Ballett nach zehn Jahren (mit kurzer Unterbrech­ung) verlassen und frei arbeiten als Tänzerin. Vor allem aber möchte sie ihre choreograf­ische Arbeit ausbauen, mit der sie in Saarbrücke­n bereits bei vielen „SubsTanz“-Abenden begeistern konnte. „Mein Name ist Legion, denn wir sind viele“ist ein Zitat aus dem Markusevan­gelium. Von Jesus gefragt, wer er sei, antwortet so der von einem Dämon besessene Mensch. Legion also ist demnach der Name eines Dämons, der in vielerlei Gestalt auftritt.

Das griechisch­e Wort „Legion“bedeutet eine Anzahl, eine Menge – und ist bekanntlic­h auch ein militärisc­her Begriff. „Man kann also viele Assoziatio­nen haben, bei diesem Titel“, sagt Barros. In ihrem Stück geht es um gruppendyn­amische Fragen: Wie bewegt und verhält sich das Individuum in und zur Gruppe? Welche Instinkte/Dämonen leiten den Menschen? Bewegt er sich sich wie ein Tier in der Herde? Wie ein Soldat in seiner Einheit? Wohin treibt es ihn, wo ist sein Platz? Was heißt Migration? „Die acht Tänzer werden viel miteinande­r interagier­en, als Gruppe, als Menschenkn­äuel“, sagt Barros. Eine weitere Quelle der Inspiratio­n: Die jüngsten Bilder Daniel Richters, die Barros 2016 in dessen Frankfurte­r Ausstellun­g tief berührt hätten. In den sehr reduzierte­n Arbeiten liege der Fokus auf Körper und Körperlich­keit. Körperteil­e und Gesichtsfo­rmen sind collageart­ig verflochte­n, es geht eine enorme Spannung von den Bildern aus. „Man assoziiert unbändige Sexualität, man sieht Anziehung und Abstoßung gleicherma­ßen“, sagt Barros. Zugleich könne man Richters abstrakte, ineinander verflochte­ne Körperkont­uren auch als Landkarte lesen. Wo verlaufen die Grenzen? Barros setzt ihr Thema zu elektronis­cher Musik um.

Eine thematisch­e Klammer gibt es für den Abend nicht. Anna Konjetzky, 2015 mit „Chipping“zu Gast beim Saar-Tanzfestiv­al, verfolgt tänzerisch einen – wie sie sagt – völlig anderen Stil als Barros. Sie hat mit „Ground“eine Choreograf­ie für fünf Tänzer entwickelt, die nach den Impulsen für und den Widerstand gegen Veränderun­g fragt und damit ein aktuelles Thema aufgreift. „Es geht um Stillstand und Veränderun­g. Ohne Veränderun­g wiederum kommt nichts in Bewegung.“Wie bei Liliana Barros stehen Fragen des Zusammenle­bens, der Interaktio­n, im Vordergrun­d, weniger das Innenleben Einzelner. Konjetzky hat sich mittlerwei­le national und internatio­nal einen Namen gemacht, mehrere Tanzpreise gewonnen. Die Presse beurteilt ihre Arbeiten oft als Performanc­es. Dagegen wehrt sie sich: „Das passiert, sobald jemand nicht weiß, wo er meine Stücke einordnen soll.“Sie findet ihren Stil „im zeitgenöss­ischen Tanz recht klassisch.“Lassen wir uns überrasche­n. .............................................

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Ein Probenfoto aus der Choreograf­ie „My name is legion“von Liliana Barros.
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FOTOS: BETTINA STÖSS Anna Konjetzky (links) und Liliana Barros.

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