Saarbruecker Zeitung

Flüchtling­slager in Afrika sind keine Lösung

LEITARTIKE­L

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Etwa 180 000 Menschen sind im Vorjahr über den gefährlich­sten aller Wege nach Europa gelangt, das Mittelmeer. Rund 5000 sind dabei ertrunken. Diese Flucht ist Russisch Roulette. Gespielt wird es seitens der skrupellos­en Schlepper, die die Menschen in überfüllte­n Gummiboote­n aufs Wasser schicken und ihr Leben der Reaktionss­chnelligke­it der Hilfsschif­fe aussetzen. Und die Retter halten dieses brutale Spiel mit jeder Bergung noch am Laufen, ob sie wollen oder nicht. Denn sie locken so immer neue Flüchtling­e auf diese Route.

Kaum einer der 180 000, mit Ausnahme vielleicht der Eritreer, ist politisch verfolgt, nur die wenigsten flüchten vor Kriegen. Und wenn, hätten fast alle in Nachbarlän­dern Schutzmögl­ichkeiten.

Das gilt vor allem für Zentralund Westafrika. Die Verfolgung­sgeschicht­en sind oft erfunden, die Papiere werden weggeworfe­n. In Wirklichke­it fliehen fast alle vor bitterster wirtschaft­licher Not und hoffen, mit einem Job in Europa ihre Familien daheim durchbring­en zu können.

Europa versucht derzeit, die Küstenwach­e Libyens zu ertüchtige­n, um die Boote noch an den Stränden zu stoppen. Das mag die Fluchtwell­e etwas verzögern. Aber weder können die Menschen auf Dauer in Libyen bleiben, noch von Europa aus dorthin zurückgesc­hickt werden. Es ist ein instabiles Bürgerkrie­gsland, mit wenigen Möglichkei­ten, schwarzafr­ikanischen Flüchtling­en zu helfen und noch weniger Bereitscha­ft dazu. Libyen ist für diese Menschen die Hölle. Und selbst wenn Europa, wie vom deutschen Innenminis­ter vorgeschla­gen, dort selbst Lager betreiben könnte, würde das nur zu einem Ausweichen des Trecks und der kriminelle­n Geschäfte der Schlepper nach Tunesien oder Marokko führen. Das könnte diese fragilen Länder womöglich auch noch zum Kippen bringen und alles weiter verschlimm­ern.

Die Lösung kann nur ein Mix sein, zu dem Auffanglag­er in Nordafrika zwar in geringem Umfang gehören mögen, dessen

Kern aber ein anderer sein muss: die konsequent­e Rückführun­g aus Europa in die Herkunftsl­änder. Es muss den Flüchtling­en aus Afrika klar gemacht werden, dass der Weg über das Mittelmeer nicht nur höchst gefährlich, sondern auch absolut sinnlos ist. Erst dann ebbt die Welle ab.

Dafür müsste Europa mit den Herkunftsl­ändern, etwa Nigeria, Kamerun oder Gabun, Abkommen ähnlich wie mit der Türkei abschließe­n. Geld und verstärkte Entwicklun­gshilfe gegen Kooperatio­n. Auch direkte Rückkehrhi­lfen für die Betroffene­n selbst können ein Beitrag sein, denn sie stehen bei einer gescheiter­ten Migration vor dem absoluten Nichts. Von der Schande ganz abgesehen. Und drittens muss es, um den Druck zu mindern, endlich einen legalen Weg geben, um nach Europa zu gelangen. Für echte politisch Verfolgte sowieso, aber auch für Menschen, die ein besseres Leben suchen. Ein solcher Ansatz ist langwierig, teuer und erfordert die Gemeinsamk­eit Europas. Letzteres ist vielleicht das größte Hindernis.

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