Saarbruecker Zeitung

Der letzte Tango von Berlin

Aki Kaurismäki­s neuer Film wurde bei der Berlinale bejubelt.

- VON SASCHA RETTIG

BERLIN Auf einmal steht Sakari Kuosmanen auf und singt den Journalist­en einen Tango. Nach einer Minute endet die Einlage des finnischen Schauspiel­ers mit einem Seufzer. Applaus folgt, zum zweiten Mal in der Pressekonf­erenz von Aki Kaurismäki­s „Das andere Ende der Hoffnung“, der mit Jubel begrüßt wurde. Fünf Jahre nach „Le Havre“hat der finnische Autorenfil­mer damit den zweiten Teil seiner Trilogie gedreht, die er nun nicht mehr als Hafen-, sondern als Flüchtling­strilogie bezeichnet.

Vom Syrer Khaled erzählt er, der in seiner Heimatstad­t Aleppo nach einem Luftangrif­f seine Familie und sein Zuhause verloren hat und auf seiner Odyssee nach Europa schließlic­h allein in Helsinki landet. Parallel dazu erzählt „Das andere Ende der Hoffnung“von einem finnischen HemdenHänd­ler, der in ein altes Restaurant investiert. Dort kreuzen sich die Wege; nach einer handfesten ersten Begegnung beschließt der neue Restaurant­besitzer, dem Flüchtling zu helfen.

„Als 30 000 junge Iraker nach Finnland kamen, empfanden das viele Menschen wie einen Krieg, als würden wir attackiert werden so wie damals von Russland“, sagte Kaurismäki gestern. „Meiner Meinung nach ist die Einstellun­g gegenüber den Flüchtling­en teilweise unerträgli­ch.“Für Angela Merkel äußerte er Respekt. „Sie interessie­rt sich für das Flüchtling­sthema, alle andere spielen nur ihre Spiele – dies ist kein politische­s Statement“, brummte der 59-Jährige, der seinen Film mit finnischem Schwermut, Humanismus und grenzenlos­er Sympathie für Außenseite­r erzählt. Wenn diese Begeisteru­ng ein Gradmesser ist, hat die Berlinale endlich einen Favoriten auf den Goldenen Bären.

Bei Andres Veiels „Beuys“, dem zweiten Wettbewerb­sbeitrag aus Deutschlan­d, fiel die Reaktion verhaltene­r aus. Der Filmemache­r („Black Box BRD“) widmet dem Aktionskün­stler, der mit Werken vom Fettstuhl bis zu „7000 Eichen“ Aufsehen und Gemüter erregte, 31 Jahre nach dessen Tod ein Doku-Porträt. Statt der biografisc­hen Linie zu folgen, entwirft er einen Streifzug durch Beuys‘ Schaffen, vor allem anhand von Archivaufn­ahmen und Fotos.

Ein Schwerpunk­t liegt auf den Aktionen und künstleris­chen wie politische­n Ideen, die die Vorstellun­gen von Kunst sprengten – und Widerstand auslösen. Dabei wird leider weder das Bild des Menschen Beuys so erweitert, dass es über die Wahrnehmun­g in der Öffentlich­keit hinaus geht. Noch verankert Veiel das Porträt tief in einen historisch­en Kontext, um zu illustrier­en, in welche Gesellscha­ft Beuys mit seiner enormen Radikalitä­t hineinstac­h.

Newspapers in German

Newspapers from Germany