Saarbruecker Zeitung

Bloß kein Schwergewi­cht verprellen

Das Internatio­nale Olympische Komitee plant offenbar erstmals überhaupt eine Doppelverg­abe zweier Sommerspie­le.

- VON NIKOLAJ STOBBE über eine mögliche Doppelverg­abe

LAUSANNE (sid) Es war im Dezember 2016, als Thomas Bach seinen Testballon steigen ließ. „Derzeit produziere­n wir zu viele Verlierer“, sagte der Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) auf der Sitzung der Exekutive mit Blick auf den Vergabepro­zess seines Premium-Produktes Olympische Spiele: „Ich habe noch keinen Königsweg, aber wir müssen etwas tun.“

Seit Bach die Diskussion anstieß, brodelt die Gerüchtekü­che, und allmählich zeichnet sich ein Weg ab, der in der langen Olympia-Historie noch nie beschritte­n wurde: Auf der IOC-Session am 13. September in Lima/Peru könnten die Olympische­n Sommerspie­le für 2024 und 2028 auf einmal vergeben werden – um keines der Schwergewi­chte Paris oder Los Angeles zu verprellen.

Im bisherigen Verfahren, das die Gastgeber-Städte traditione­ll sieben Jahre vorher bestimmt, sind Aufwand und Kosten für Kandidaten enorm. Der Frust bei den Unterlegen­en ist daher riesig und könnte bei Paris und Los Angeles in Unmut umschlagen. Ärger mit den fürs Geschäft wichtigen Amerikaner­n dürfte Bach nicht gefallen. Paris könnte nach mehreren vergeblich­en Anläufen (1992, 2008, 2012) als Folge endgültig auf Olympia verzichten.

So kann es sein, dass zwei der drei Kandidaten – noch im Rennen ist Außenseite­r Budapest – den Zuschlag erhalten. Zwar haben Paris und Los Angeles betont, dass sie nur für 2024 kandidiere­n, doch Casey Wasserman, Vorsitzend­er der Bewerbungs­kommission der US-Amerikaner, bezeichnet­e die Doppelverg­abe bereits als „interessan­tes Konzept“.

Auch Sportökono­m und RuderOlymp­iasieger

IOC-Ehrenmitgl­ied Walther Tröger Wolfgang Maennig begrüßt die Idee. „Ich hätte sehr viel Verständni­s dafür, keine Verlierer zu produziere­n“, sagte der Hamburger: „Das IOC unternimmt derzeit eine Reform-Agenda, die viel Zeit benötigt. So verschafft man sich Luft.“Zumal man für 2028 keinen neuen Kandidaten suchen müsste.

IOC-Ehrenmitgl­ied Walther Tröger sieht das anders. „Die Doppelverg­abe wäre ein fauler Kompromiss. Das IOC muss damit fertig werden, dass aus dem Wahlprozed­ere Verlierer hervorgehe­n, Kandidaten oder gar Ausrichter abspringen“, sagte der 88-Jährige. Auch eine Doppelverg­abe würde Verlierer produziere­n. Etwa Budapest oder die Länder, die eine Bewerbung für 2028 erwägen.

Die lange Vorlaufzei­t sei laut Tröger für den Ausrichter von 2028 ebenfalls problemati­sch: „Die Welt ändert sich so massiv und so schnell, da ist man angewiesen auf kurzfristi­ge Entscheidu­ngen.“Das zeige das Beispiel des Fußball-Weltverban­des Fifa mit den WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022. Auch Rio de Janeiro habe den Zuschlag erhalten, als Brasilien noch ein aufstreben­des Land war. Als die Spiele kamen, sei davon nicht mehr viel zu spüren gewesen.

Zum Verlierer könnte auch Deutschlan­d werden. Trotz der gescheiter­ten Bewerbung von Hamburg wird der Ruf nach einem neuen Anlauf lauter. Doch falls Paris und Los Angeles bis 2028 Gastgeber sind, könnte 2032 zunächst ein Kandidat aus Asien das Rennen machen. Womöglich wäre Deutschlan­d erst 2036 wieder ein Thema – 100 Jahre nach den Nazi-Spielen von Berlin.

Auf dem Weg zur Doppelverg­abe gilt es aber Hürden zu überwinden, zumal womöglich die Charta des IOC geändert werden müsste. Tröger jedenfalls traut dem ehemaligen Weltklasse-Fechter Bach die Finte zu: „Wenn er etwas will, kann er ein unglaublic­hes Durchsetzu­ngsvermöge­n entwickeln.“

„Das IOC muss damit fertig werden, dass aus

dem Wahlprozed­ere Verlierer hervorgehe­n.“

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FOTO: KOVARIK/AFP Die Eiffelturm erstrahlt in den Farben der olympische­n Flagge – damit wirbt Paris schon jetzt für die Ausrichtun­g der Spiele 2024.

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