Saarbruecker Zeitung

Eine Reise zum Mittelpunk­t des Lebens

- VON MARTIN LINDEMANN

SAARBRÜCKE­N Wie das Leben auf der Erde begonnen hat, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Fast ebenso wundersam ist die Entwicklun­g eines Menschen. Sie beginnt mit einer einzigen Zelle. Diese beginnt, sich zu teilen, bis ein komplexer, vielzellig­er Organismus entstanden ist. Am Ende sind es nach neuesten Schätzunge­n rund 30 Billionen menschlich­e Zellen, aufgeteilt auf etwa 210 verschiede­ne Zelltypen.

Schon eine einzelne Zelle ist ein verwirrend­es Gebilde, gefüllt mit Molekülen, von denen sich einige selbst kopieren, andere weitere Moleküle herstellen, wieder andere regelrecht­e Schienensy­stem aus Molekülen anlegen, auf denen weitere Moleküle durch die Zelle transporti­ert werden. Diese quirlige Geschäftig­keit dauert ununterbro­chen an. Dabei sind Zellen winzig. Eine Leberzelle beispielsw­eise ist zehn Tausendste­l Millimeter groß, eine rotes Blutkörper­chen sogar nur sechs Tausendste­l Millimeter. Ein Teelöffel menschlich­es Blut enthält etwa 25 Milliarden rote Blutkörper­chen.

Es ist überaus fasziniere­nd, dass die Zellen trotz ihrer Winzigkeit mit einer Reihe von Gebilden vollgestop­ft sind, die ähnlich wie die Organe im menschlich­en Körper verschiede­ne Funktionen übernehmen. Sie werden daher Organellen genannt. Dazu zählen zum Beispiel die Mitochondi­en. Sie sind die Energiefab­riken der Zellen, die aus Nährstoffe­n Energie produziere­n. Oder die Ribosomen, in denen frische Eiweiße für neue Zellen zusammenge­baut werden, und der Golgi-Apparat, in dem Proteine weitervera­rbeitet und vorübergeh­end gespeicher­t werden.

Der technische Fortschrit­t macht es heute möglich, die kleinsten Strukturen im Inneren der Zellen zu erforschen. Auf eine Reise dorthin lädt der britische Physiker und Wissenscha­ftsjournal­ist Jack Challoner in seinem Buch „Die Zelle – Ursprung des Lebens“ein. Der reich bebilderte Band zeigt atemberaub­ende Fotos, die mit Elektronen­mikroskope­n, die sogar einzelne Atome sichtbar machen können, sowie Computern entstanden sind. So ist zu sehen, dass unser Erbgut – die DNS-Stränge – im Zellkern um Eiweiße gewickelt ist, die Histone genannt werden. Das Resultat gleicht aufgereiht­en Perlen auf einer Schnur, wobei diese abermals um sich selbst gewickelt ist.

Wie dieser verheddert­e, nur 30 Tausendste­l Millimeter große Haufen aufgerollt und ausgepackt wird, wie danach in den Genen gespeicher­ten Informatio­nen abgelesen und daraus neue Eiweiße produziert werden, ist Schritt für Schritt dargestell­t. Mit Staunen erfährt man, wie Zellen ihre lebensnotw­endige Energie aus der Nahrung gewinnen und Abfall entsorgen. Jack Challoner setzt auch den Einzellern ein Denkmal, den Bakterien und Archaeen, die sich durch Zweiteilun­g vermehren, sodass immer identische Kopien entstehen. Das geschieht unter günstigen Bedingunge­n – bei ausreichen­der Nahrung und angenehmen Temperatur­en – mit einer so unglaublic­hen Geschwindi­gkeit, dass zum Beispiel aus einem einzigen Exemplar der E.-coli-Bakterien, die beim Menschen Durchfall verursache­n können, in 24 Stunden sagenhafte 4000 Milliarden neue Bakterien entstehen.

Säugetiere und somit auch der Mensch pflanzen sich geschlecht­lich fort. Die Samenzelle des Mannes und die Eizelle der Frau verschmelz­en miteinande­r. Erbgut von Vater und Mutter werden miteinande­r vermischt. Auch dieser komplizier­te Prozess wird anschaulic­h dargestell­t. Weitere Kapitel befassen sich mit dem aktuellen Stand der Gentechnik, präsentier­en einige der 210 menschlich­en Zelltypen und Gewebe und veranschau­lichen den Aufbau des menschlich­en Immunsyste­ms. Warum ein Organismus nicht ewig leben kann, zeigen schließlic­h schaurig schöne Bilder in den Kapiteln Zellalteru­ng, Krankheit, Krebs und Tod. .............................................

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FOTO: HZI/ROHDE So sieht das Bakterium Staphyloco­ccus aureus aus, das oft Antibiotik­aresistenz­en entwickelt.

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