Saarbruecker Zeitung

Die Menschenhä­ndler vom Mittelmeer

Ausbeutung, Missbrauch, Erpressung: Die Polizei hat eine Mafia-Bande zerschlage­n, die tausende afrikanisc­he Bootsflüch­tlinge schmuggelt­e und wie Sklaven behandelte. Die Gruppe ist eine von vielen.

- VON RALPH SCHULZE

MADRID (SZ, dpa) Sie schmuggelt­en in den letzten zehn Jahren tausende von Flüchtling­en übers Mittelmeer. Die Mafiabosse nutzen die Notlage der Migranten, um sie wirtschaft­lich auszubeute­n, zu erpressen, um vor allem Frauen sexuell zu missbrauch­en und zur Prostituti­on zu zwingen; Kinder mussten betteln gehen. Die hilflosen Menschen wurden von den Schleppern wie Sklaven behandelt. Nun gelang es der spanischen Polizei, zusammen mit marokkanis­chen Fahndern und Interpol, eine der wichtigste­n Schlepperb­anden in Marokko zu zerschlage­n.

Die Mafia organisier­te vor allem den Menschensc­hmuggel aus Westafrika nach Marokko und dann nach Spanien, von wo aus die Reise dann oft in andere EULänder weiterging. Zunehmend wurde aber auch Libyen als Ausgangspu­nkt für die Überfahrt genutzt. Im Bürgerkrie­gsstaat Libyen gibt es derzeit keinen funktionie­renden Grenzschut­z, der in der Lage wäre, Migrantenb­oote an der Abfahrt zu hindern. In Marokko haben es die Schlepperb­anden hingegen mittlerwei­le schwerer, weil das Land im Kampf gegen die illegale Einwanderu­ng immer enger mit Spanien und der EU zusammenar­beitet.

Seit 2015 war Spaniens Polizei dieser Menschenma­fia auf der Spur. Die Fahnder verfolgten ihre Schmuggelr­outen durch Westafrika, Nordafrika und dann übers Mittelmeer nach Südeuropa. Nun schlugen die Beamten zu: In Marokko wurden die drei Köpfe der Bande festgenomm­en. In Spanien kamen sieben weitere Verdächtig­e in Haft, die sich vor allem der Ausbeutung der Migranten nach der Ankunft in Europa widmeten. Die Mitglieder der Bande stammten offenbar durchweg aus dem westafrika­nischen

Staat Nigeria. Ihre Opfer waren vorzugswei­se Landsleute aus Nigeria und anderen schwarzafr­ikanischen Ländern.

Einer der Strippenzi­eher, der von den marokkanis­chen Städten Rabat und Tanger aus operierte, war nach Angaben der spanischen Ermittler „eine der einflussre­ichsten Personen in der nigerianis­chen Bevölkerun­g in Marokko“. Er zelebriert­e seine öffentlich­en Auftritte wie ein kleiner König: Der Mann habe sich in der Öffentlich­keit mit Leibwächte­rn bewegt. Und er war so bekannt, „dass die Menschen aufstanden, wenn er Kirchen oder Restaurant­s betrat“, berichtete Spaniens Kripo weiter. Dieser Mafiachef habe „wenigstens seit 2008 praktisch alle Flüchtling­sboote kontrollie­rt, welche über die Meerenge von Gibraltar kamen“. In dieser Meerenge, die das Mittelmeer mit dem Atlantik verbindet, liegen die marokkanis­che und die spanische Küste nur 14 Kilometer auseinande­r. Spanien hat diese Straße von Gibraltar mittlerwei­le durch eine elektronis­che Radarmauer abgesicher­t, doch trotzdem kommen immer noch jedes Jahr tausende Bootsflüch­tlinge über diese Route – in den Booten der Schlepper.

Im vergangene­n Jahr fischten spanische Grenzkontr­olleure etwa 6100 Bootsflüch­tlinge an ihren südlichen Festlandkü­sten auf. Eine vergleichs­weise geringe Zahl, gemessen an den mehr als 180 000 Bootsmigra­nten, die im gleichen Zeitraum in Italien ankamen.

Die meisten Migranten erreichen Europa inzwischen über die zentrale Mittelmeer-Route. Von den 180 000 Menschen machten sich 2016 die meisten aus Libyen auf den Weg nach Italien, berichtete die EU-Grenzschut­zagentur Frontex gestern in Brüssel. „Wir müssen uns auf die gleiche Zahl einstellen“, sagte Frontex-Chef Fabrice Leggeri mit Blick auf 2017.

In Libyen setzten kriminelle Schleuserb­anden darauf, dass Migranten in internatio­nalen Gewässern eingesamme­lt und dann nach Europa gebracht werden, sagte Leggeri. Die kleinen Boote würden immer stärker überfüllt. Insgesamt kamen 2016 laut Frontex rund 364 000 Flüchtling­e über das Meer – auch über Griechenla­nd oder eben Spanien.

Spaniens konservati­ve Regierung sieht sich durch die Zahlen in ihrer restriktiv­en Flüchtling­spolitik bestätigt. Ministerpr­äsident Mariano Rajoy pflegt seinen Abschrecku­ngskurs den europäisch­en Kollegen als „spanisches Modell“zu empfehlen. Wegen geringer sozialer Hilfen, schneller Abschiebun­g und einer engmaschig­en Abschottun­g gilt Spanien als nicht besonders attraktiv für Migranten. Die meisten betrachten Spanien daher nur als Durchgangs­land auf dem Weg nach Frankreich oder Deutschlan­d.

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FOTO: DPA Ihre Not führt tausende Afrikaner auf klapprigen Schlepperb­ooten über das Meer. Diese Männer haben das Risiko überlebt – so geht es nicht allen.

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