Saarbruecker Zeitung

EU-Parlament billigt strengere Regeln

Eine Reform des Emissionsh­andels soll Luftversch­mutzung verteuern. Die Stahlindus­trie soll aber weithin verschont bleiben.

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BRÜSSEL/STRASSBURG SchmutzBon­s werden die Emissionsz­ertifikate bei den 11 000 beteiligte­n Unternehme­n in der EU gerne genannt. Seit 2005 sollten sie den Ausstoß von klimaschäd­lichen Gasen begrenzen. Das hat nicht funktionie­rt. Nun steht eine Reform an. Das Europäisch­e Parlament in Straßburg legte gestern seine Verhandlun­gsstrategi­e fest – und distanzier­te sich dabei auch vom eigenen Umweltauss­chuss. Die Hintergrün­de der Abstimmung erläutert SZ-Korrespond­ent Detlef Drewes in Frage-Antwort-Form.

Wie funktionie­rt der Emissionsh­andel eigentlich?

Betriebe, die viel klimaschäd­liche Gase ausstoßen, müssen seit 2005 pro Tonne Emissionsz­ertifikate kaufen. Dadurch sollen die Unternehme­n motiviert werden, in moderne Techniken zu investiere­n. In der Startphase wurden viele Papiere kostenfrei abgegeben. Derzeit sind 1,9 Milliarden nicht genutzter Zertifikat­e im Umlauf, aber nur 57 Prozent wurden bezahlt, 43 Prozent haben besonders energieint­ensive Konzerne der Stahl- und Zementindu­strie kostenlos bekommen.

Warum stellt sich die erhoffte Lenkungswi­rkung nicht ein?

Die Wirtschaft­skrise ist daran zumindest mit Schuld. In den beteiligte­n Betrieben ging die Produktion zurück, der Preis der Zertifikat­e fiel Ende 2016 auf unter sechs Euro. Eine Lenkungswi­rkung gibt es aber erst, wenn die Papiere wenigstens 20 Euro kosten. Deshalb will die EU die Schmutz-Bons jetzt verknappen, damit der Preis wieder steigt. Was heißt das genau?

Derzeit wird die Zahl der Emissionsz­ertifikate jedes Jahr um 1,74 Prozent abgebaut. Das Parlament hat nun beschlosse­n, dass von 2021 bis 2030 jährlich 2,2 Prozent vom Markt genommen werden sollen. Außerdem sollen 800 Millionen Papiere zusätzlich gestrichen werden. Und zusätzlich wollen die Abgeordnet­en nicht mehr nur zwölf, sondern 24 Prozent der Emissionen in ein Reservedep­ot legen. Alle Maßnahmen würden somit erreichen, dass die Zahl der Papiere im Handel verknappt und der Rest, der sich noch im freien Handel befindet, teurer wird. Damit sollen die Unternehme­n gezwungen werden, mehr in klimaschon­ende Produktion­stechniken zu investiere­n. All das soll helfen, das EU-Ziel von einer Minderung der Treibhausg­ase um 40 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 zu erreichen.

Die Stahlindus­trie ringt ohnehin mit einer Krise. Muss sich die Branche auf hohe Mehrbelast­ungen einstellen?

Nein. Sowohl die Stahl- wie auch die Zementindu­strie erhalten weiter kostenlose Papiere. Im Parlament war man der Meinung, dass es gerade diese energieint­ensiven Wirtschaft­sunternehm­en besonders schwer haben, die Emissionen zu verringern. Gleichzeit­ig wollte man das Risiko vermindern, dass die Konzerne ihre Produktion­sstätten in der EU schließen und in andere Länder abwandern. Aus dem gleichen Grund wollen die Parlamenta­rier auch erreichen, dass die bei der Stahlherst­ellung anfallende­n Rest-Gase (Kuppel-Gase) weiter zur Energiegew­innung genutzt werden können, ohne dass dafür Zertifikat­e erworben werden müssen.

Zeitweise hatte es doch geheißen, man wolle gerade die Zementindu­strie in den künftigen Handel mit Verschmutz­ungsrechte­n einbeziehe­n? Das ist richtig. Die vorgeschla­gene Lösung erwies sich allerdings als nicht praktikabe­l. Denn um die Branche dann vor Billigimpo­rten zu schützen, hätte man nicht nur Rohstoffe, sondern auch weiter verarbeite­te Produkte mit Zöllen belegen müssen. Dadurch wäre es an den Grenzen zu einem heillosen Chaos gekommen. Übrigens hätten auch Bauherren mit höheren Preisen für Zement rechnen müssen. Diese Idee wurde aber vom Parlament abgelehnt.

Wie geht es jetzt weiter?

Im nächsten Schritt müssen sich die Mitgliedst­aaten auf einen gemeinsame­n Standpunkt verständig­en. Dann können sie mit dem Parlament und der Kommission einen Kompromiss suchen. Dies wird allerdings wohl noch einige Monate dauern.

 ?? FOTO: DIETZE/DPA ?? Die saarländis­chen Stahlarbei­ter haben immer wieder gegen eine Verschärfu­ng des Emissionsh­andels und gegen Billigstah­l protestier­t. Im vergangene­n April demonstrie­rten Azubis von Saarstahl mit Ironman-Masken.
FOTO: DIETZE/DPA Die saarländis­chen Stahlarbei­ter haben immer wieder gegen eine Verschärfu­ng des Emissionsh­andels und gegen Billigstah­l protestier­t. Im vergangene­n April demonstrie­rten Azubis von Saarstahl mit Ironman-Masken.

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