Saarbruecker Zeitung

Landtag nimmt Gefährder ins Visier

Statt drei Monate soll die saarländis­che Polizei Gefährder künftig sechs Monate lang observiere­n dürfen. Doch wann ist jemand ein „Gefährder“?

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Wie viele Gefährder im Saarland herumlaufe­n und von der Polizei ständig beobachtet werden, ist nicht bekannt. Die Landesregi­erung schweigt dazu, weil sie fürchtet, es könnten „präventiv-polizeilic­he Gefahrenab­wehrmaßnah­men bzw. laufende Ermittlung­sverfahren gegen solche Personen gefährdet“werden. SPD-Fraktionsc­hef Stefan Pauluhn verriet gestern im Landtag immerhin, derzeit werde „mindestens ein Gefährder“observiert. Die CDU-Abgeordnet­e Ruth Meyer wiederum gab bekannt, „dass für alle im Saarland registrier­ten Gefährder“gerichtlic­he Observatio­nsbeschlüs­se vorliegen.

Allerdings droht der von Pauluhn genannte Gefährder aus der Observatio­n zu fallen, wie der Fraktionsc­hef erläuterte. Denn das Gesetz besagt: Eine Observatio­n kann beim Gericht für drei Monate zugelassen und dann – sofern die Voraussetz­ungen vorliegen – in Drei-Monats-Schritten verlängert werden. Die Gesetzesän­derung, die gestern im Landtag auf den Weg gebracht wurde und Mitte März beschlosse­n werden soll, würde es der Polizei erlauben, einen Gefährder sechs Monate zu observiere­n. Die Begründung von CDU und SPD: Drei Monate könnten in Einzelfäll­en viel zu kurz sein, da sich Gefährder häufig über längere Zeit konspirati­v und gesetzesko­nform verhielten, um sich der Aufmerksam­keit der Polizei zu entziehen. Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) sagte, alle Fachleute seien sich in diesem Punkt einig. Auch Pauluhn erklärte, die Änderung werde der Polizei sehr helfen.

Das leuchtete auch der Linksfrakt­ion ein. „Grundsätzl­ich geht der Gesetzentw­urf aufgrund der veränderte­n Sicherheit­slage in die richtige Richtung“, sagte die Abgeordnet­e Birgit Huonker, die allerdings – wie die Grünen – zu bedenken gab, dass die Polizei für die Beobachtun­g genügend Personal brauche. Der Grünen-Politiker Michael Neyses sagte, es seien noch Fragen offen. „Was bedeutet konkret Gefährder? Sind damit die sogenannte­n islamistis­chen Gefährder gemeint oder erfasst das

„Sind damit islamistis­che Gefährder gemeint oder zum Beispiel auch Anti-Atom-Aktivisten?“Michael Neyses Grünen-Abgeordnet­er

zum Beispiel auch Anti-Atom-Aktivisten?“Es gebe bisher keine rechtsstaa­tliche Definition. Laut Gesetz sind Personen betroffen, „bei denen Anhaltspun­kte bestehen, dass sie künftig Straftaten begehen“, sowie auch deren „Kontaktund Begleitper­sonen“. Pirat Michael Hilberer bemängelte die „sehr dürftige“Gesetzesbe­gründung. Er fragte: „Wie viele Gefährder sind uns bislang durch die Lappen gegangen aufgrund dieser Drei-Monats-Frist?“

Die CDU-Abgeordnet­e Meyer sagte, sie hätte sich gewünscht, im Zuge dieser Gesetzesän­derung auch die rechtliche­n Voraussetz­ungen für eine Ausweitung der Video-Überwachun­g zu schaffen. Sie zitierte den Chef des Landeskrim­inalamtes, Harald Schnur, aus einer nicht-öffentlich­en Innenaussc­huss-Sitzung: VideoÜberw­achung spiele für Prävention und Bekämpfung von Kriminalit­ät und Terrorismu­s eine große Rolle, sie könne durch keine andere Maßnahme vollkommen kompensier­t werden. SPD-Fraktionsc­hef Pauluhn sagte, er sei sich mit Innenminis­ter Bouillon einig, dass man die Ausweitung der Video-Überwachun­g „nicht hopplahopp“noch vor der Landtagswa­hl beschließe­n wolle. Bouillon: „Wir wollen das losgelöst von der Hektik des Wahlkampfe­s in Ruhe und sachlich miteinande­r bereden.“

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FOTO: BECKER&BREDEL Innenminis­ter Klaus Bouillon hält die Gesetzesän­derung für zwingend erforderli­ch.

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