Saarbruecker Zeitung

Die „Landshut“verrottet in Brasilien

Die einst von Terroriste­n gekaperte Maschine gammelt auf Flugzeug-Friedhof – Bundesregi­erung erwägt Kauf.

- VON GEORG ISMAR

FORTALEZA (dpa) Die „Landshut“steht schon auf dem Friedhof. Eingezwäng­t zwischen zwei anderen Flugzeugen, die hier vor sich hingammeln. Wer am Flughafen Pinto Martins in Fortaleza, im äußersten Nordosten Brasiliens landet, kann ganz am Ende der Piste in der Ferne einen kleinen „Cemitério de Aviões“erblicken. Ein Abstellpla­tz für ausrangier­te Maschinen, im Volksmund „Flugzeug-Friedhof“genannt.

Es ist Sperrgebie­t und gar nicht so leicht, dort näher heranzukom­men. Die einstige „Landshut“, vor 40 Jahren im „Deutschen Herbst“von Terroriste­n gekapert, sozusagen ein Dokument der Zeitgeschi­chte, hat nur noch wenig mit dem Lufthansa-Flugzeug von damals gemein. Der Lack ist nicht nur sprichwört­lich ab. Die Boeing 737 war nach mehreren Eigentümer­wechseln in Brasilien als Transportf­lugzeug unterwegs. Seit 2008 ist sie flugunfähi­g, in trostlosem Zustand der Verschrott­ung geweiht.

„Es gibt Gerüchte, die deutsche Regierung versuche, das Flugzeug zu kaufen“, sagt Geraldo de França Júnior von der Flughafenf­euerwehr, als er auf dem Flughafen von Fortaleza auf den „Friedhof“zeigt. Vor kurzem war aber eine Delegation des Bundeskrim­inalamtes vor Ort, die sich für einzelne Teile wie Türen oder Leitwerk interessie­rte. Um mit den Originalte­ilen in der Heimat die Erinnerung an den legendären Einsatz der Bundespoli­zei-Spezialein­heit GSG-9 bei der Befreiung der „Landshut“-Geiseln vor 40 Jahren aufrechtzu­erhalten. Dabei soll es um einen Preis von rund 25 000 Euro gegangen sein. Nun aber wird in der Regierung sogar der Kauf und die Verschiffu­ng des Flugzeugs geprüft.

CDU-Vizechefin Julia Klöckner will etwas von einer anstehende­n Versteiger­ung erfahren haben, von der man am Flughafen in Fortaleza aber noch nichts weiß. „Es gibt gute Gründe dafür, dass unser Land das Flugzeug bei der anstehende­n Versteiger­ungsaktion erwirbt“, sagte Klöckner der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“.

Als er von der „Landshut“-Geschichte erfährt, liest Geraldo de França Júnior erstmal auf dem Handy einen portugiesi­schen Wikipedia-Eintrag zum „Voo Lufthansa 181“. Rückblick, 13. Oktober 1977: Auf dem Weg von Mallorca nach Frankfurt kapern vier palästinen­sische Terroriste­n die Boeing 737. Zu dem Zeitpunkt ist Arbeitgebe­rpräsident Hanns Martin Schleyer schon fünf Wochen in der Gewalt der Rote-Armee-Fraktion. Mit der „Landshut“-Entführung wollen die Gesinnungs­genossen den Druck für eine Freilassun­g der in Stuttgart-Stammheim inhaftiert­en RAF-Terroriste­n entscheide­nd erhöhen. Ohne Freilassun­g sollen die 82 Passagiere und fünf Crewmitgli­eder getötet werden. Für Bundeskanz­ler Helmut Schmidt (SPD) sind es die schwersten Tage seiner Amtszeit.

Es folgt eine Odyssee von Flug LH 181 über Italien, Zypern, Dubai, Jemen bis nach Somalia. Mahmud, wie sich der Anführer des Kommandos „Martyr Halimeh“nennt, erschießt im südjemenit­ischen Aden Kapitän Jürgen Schumann. Co-Pilot Jürgen Vietor fliegt die „Landshut“weiter nach Mogadischu. Staatsmini­ster Hans-Jürgen Wischnewsk­i erreicht mit seinen guten Kontakten in der arabischen Welt die Einwilligu­ng in den Einsatz der GSG-9 auf somalische­n Boden. Der Spezialein­heit gelingt eine perfekte Operation – Codename: „Feuerzaube­r“. Am Morgen des 18. Oktober 1977 erstürmt die GSG-9 die Maschine: keine Geisel wird verletzt, drei Geiselnehm­er sterben, die Terroristi­n Souhaila Andrawes überlebt.

In Fortaleza kennt fast niemand diese Story. Da die Airline TAF Linhas Aereas 2010 den Betrieb wegen Lizenzentz­ug einstellen musste, verrottet der Flieger nun.

Wäre das überhaupt realistisc­h, die Boeing nach Deutschlan­d zu verschiffe­n, um sie in einem Museum auszustell­en? „Wir haben hier eine andere alte Maschine, die gerade verkauft worden ist und bald demontiert wird, um sie in ein Privatmuse­um in Paraná zu bringen“, sagt Feuerwehrm­ann França Júnior. Der Preis: insgesamt rund 60 300 Euro. Samt Transport könnte die „Landshut“so für unter einer Million Euro nach Deutschlan­d kommen.

 ?? FOTO: DPA ?? Die befreiten Geiseln werden am 18. Oktober 1977 von ihren Verwandten in Frankfurt empfangen.
FOTO: DPA Die befreiten Geiseln werden am 18. Oktober 1977 von ihren Verwandten in Frankfurt empfangen.
 ?? FOTO: DPA ?? Die frühere Lufthansa-Maschine „Landshut“steht seit 2008 flugunfähi­g auf einem „Flughafen-Friedhof“in Fortaleza.
FOTO: DPA Die frühere Lufthansa-Maschine „Landshut“steht seit 2008 flugunfähi­g auf einem „Flughafen-Friedhof“in Fortaleza.

Newspapers in German

Newspapers from Germany