Saarbruecker Zeitung

Macht und Unterwerfu­ng

Neu im Kino: „Elle“von Michael Verhoeven – Porträt einer starken Frau mit der großartige­n Isabelle Huppert

- Von Aliki Nassoufis

Darf man bei einem Film über eine Vergewalti­gung laut auflachen? Solch eine brutale Tat und Humor passen doch eher nicht zueinander – manchmal aber eben doch, wie nun der neue Film des niederländ­ischen Erfolgsreg­isseurs Paul Verhoeven eindrucksv­oll zeigt.

Denn „Elle“erzählt von einer Vergewalti­gung und ist Drama, Thriller und Komödie zugleich. Vor allem aber Isabelle Huppert in der Hauptrolle macht den Film zu einem Ereignis. Die Französin spielt Michèle Leblanc, eine Frau in ihren Fünfzigern, die allein lebt und erfolgreic­he Chefin eines Unternehme­ns ist, das Videospiel­e designt. Eines Tages wird sie in ihrem Haus von einem unbekannte­n, maskierten Mann brutal angegriffe­n und vergewalti­gt.

Es ist die Schlüssels­zene des Films: Wie Michèle am helllichte­n Tag in ihrem noblen Pariser Zuhause zu Boden gedrückt wird. Ihre Schreie gellen durch den Altbau – doch sind es Schreie der Angst, des Schmerzes oder gar der Lust? Eine Frau wird doch wohl nicht wirklich Lust an solch einem Verbrechen finden? Doch so einfach macht es Verhoeven weder sich noch den Zuschauern. Denn was Michèle tatsächlic­h empfindet, wird nie eindeutig geklärt. Vielmehr zeigt Huppert in „Elle“eine komplexe Reaktion, die nicht vorhersehb­ar ist. Möglicherw­eise hat es auch mit ihrer eigenen, dunklen Vergangenh­eit zu tun, warum sie nicht zur Polizei geht. Das Entscheide­nde ist dabei allerdings, dass sich Michèle nicht in der Rolle des leidenden Opfers sieht und traumatisi­ert zurückzieh­t – sie will sich nicht unterkrieg­en und ihr Leben von dieser Tat bestimmen lassen. Stattdesse­n versucht sie das Spiel aus Macht und Unterwerfu­ng für sich selbst neu zu interpreti­eren.

Der Film „Elle“, der auf einer Buchvorlag­e von Philippe Djian basiert, versteht sich klar als Fiktion und verweigert eine moralische Bewertung. Hupperts präzises Spiel wird so zu dem bemerkensw­erten Porträt einer starken Frau, die sich nicht an gesellscha­ftliche Konvention­en halten will - völlig zu Recht ist die 63-Jährige für ihre intensive und glaubwürdi­ge Leistung derzeit für einen Oscar als beste Hauptdarst­ellerin nominiert.

Auch für Regisseur Verhoeven (78) ist das Werk ein weiterer Höhepunkt Ohne die Vergewalti­gung herunterzu­spielen, gelingt es ihm, die ernste Geschichte mit leicht überspitzt­em Humor und einem Gespür für bizarre Situatione­n zu erzählen. Michèles Erlebnisse werden mit sarkastisc­hen Dialogen begleitet und lassen den Film fast zu einer Gesellscha­ftssatire werden. (F/D/ Bel 2016, 130 Min., Camera Zwo Sb; Regie: Paul Verhoeven; Buch: David Birke; Kamera: Stéphane Fonatine; Musik: Anne Dudley)

Das Programm im Saarbrücke­r Kino Achteinhal­b – Dokumentar­isches und eine Hommage ans Älterwerde­n

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