Saarbruecker Zeitung

Frau „Kasner“hat vieles nicht gewusst

Was eine nervöse Kanzlerin Merkel als Zeugin im NSA-Ausschuss zur Aufarbeitu­ng des Spionagesk­andals beigetrage­n hat.

- VON HAGEN STRAUSS auf die Frage, ob sie Whistleblo­wer Snowden nach Deutschlan­d holen würde

BERLIN Es ist die 131. Sitzung des NSA-Untersuchu­ngsausschu­sses, die letzte Vernehmung nach drei Jahren Schwerstar­beit. Nur eine Zeugin ist geladen: „Mein Name ist Angela Dorothea Kasner“, sagt bei ihrer Vorstellun­g die Frau, die alle Welt unter dem Namen Angela Merkel kennt. Sie habe das „Geborene“aus Versehen verschluck­t, wird später gestreut. Vielleicht ist sie aber doch ein bisschen nervös. Allerdings bleibt dies der einzige Aussetzer, den sich die Kanzlerin bei ihrer mehrstündi­gen Befragung zur NSA-Affäre erlaubt.

Merkel trägt 25 Minuten lang vor, was sie schon mehrfach zur Affäre gesagt hat. Im Kern geht es darum, was die Kanzlerin wann über das Ausmaß der Datenaussp­ähungen durch den US-Geheimdien­st NSA und den deutschen BND gewusst hat. Der Skandal war 2013 durch Enthüllung­en des ehemaligen USGeheimdi­enstmitarb­eiters Edward Snowden ins Rollen gekommen. Er schen legendärer Satz aus dem Oktober 2013: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“. Daran halte sie fest, betont sie im Ausschuss. Mit der Formulieru­ng habe sie „eine politische Überzeugun­g zum Ausdruck gebracht, das ist doch meine Aufgabe“. Allerdings sei ihr der Ausspruch damals wie eine „Trivialitä­t“erschienen. Doch dann seien Dinge ans Tageslicht gekommen, die gegen den Satz verstoßen hätten. „Deswegen macht es ihn aber nicht falsch.“2015 wurde bekannt, dass sich auch der BND nicht an Merke`ls Maßgabe gehalten hatte. Mittlerwei­le dokumentie­rt sind sogar Spähangrif­fe auf EU-Institutio­nen. Davon habe sie vorher nichts gewusst, betont die Regierungs­chefin. „Ich bin davon ausgegange­n, dass der BND so was nicht tut.“Hat er aber.

Die Frage, ob denn Fehler bei der Fachaufsic­ht im Kanzleramt vorgelegen hätten, sprich beim Kanzleramt­sminister, wischt sie mit der Bemerkung weg: „Ich vertraue meinen Mitarbeite­rn.“Doch Merkels Botschaft wird trotzdem klar: Fürs Kleinklein ist sie an dieser Stelle nicht zuständig, sondern für die große politische Linie. Offen bleibt daher, warum der damalige Amtschef Ronald Pofalla die Affäre 2013 einfach für beendet erklärte; außerdem war Pofalla auch mit der Ankündigun­g vorgepresc­ht, die US-Seite sei zu einem „No Spy-Abkommen“bereit. Es kam aber nie zustande. Dass, so Merkel, habe daran gelegen, dass man sich nicht „auf Kernsätze“einigen konnte.

Kanzlerin Merkel

„Nö.“

Die Kanzlerin selbst hat nicht versucht, das Abkommen zu forcieren. „No Spy“sei daher „eine Nebelkerze“für den damaligen Wahlkampf gewesen, meint die SPD.

Ein weiterer Punkt, der den Ausschuss besonders interessie­rt, ist der ihres Handys. Merkels berühmter Satz war eine Reaktion auf den wahrschein­lichen, aber nicht bewiesenen Lauschangr­iff des USGeheimdi­enstes auf ihr Telefon. „Wir haben entschiede­n, ein neues Gerät zu nehmen“, so die Kanzlerin lapidar. Es wird geschmunze­lt. Das Abhören ihres Telefons sei für sie auch gar nicht zentral gewesen, „weil ich mein Kommunikat­ionsverhal­ten stets an meinen Kommunikat­ionsinhalt­en ausrichten kann“. Für sie hätten stattdesse­n immer „die Interessen aller Bürger im Vordergrun­d“gestanden. Dennoch sprach sie mit dem damaligen US-Präsidente­n Brack Obama über die Angelegenh­eit. Anschließe­nd habe sie zur Kenntnis genommen „dass die amerikanis­che Regierung mein Handy nicht mehr abhört und auch nicht mehr abhören wird“. Sicher?

Am Ende des Tages sind alle erschöpft und nicht viel schlauer. „Ich finde, dass die Zeugin einen glaubwürdi­gen Eindruck gemacht hat“, räumt der Grüne Konstantin von Notz ein. „Die Aussagen waren erwartungs­gemäß enttäusche­nd“, findet die Linke Martina Renner. Und SPD-Obmann Christian Flisek betont: „In Sachen Geheimdien­ste hat die Kanzlerin ein Schutzwall um sich gebaut, damit politisch sensible Situatione­n nicht an sie gelangen.“

 ?? FOTO: AFP ?? Ihr Satz „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht" holte Angela Merkel auch gestern wieder ein.
FOTO: AFP Ihr Satz „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht" holte Angela Merkel auch gestern wieder ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany