Saarbruecker Zeitung

Cino Djavid geht nach Braunschwe­ig. Ab März ist er aber noch in Saarbrücke­n in „Othello“zu sehen.

Schauspiel­er Cino Djavid (32) hat vier Jahre lang das Staatsthea­ter bereichert. Doch bald zieht er von Saarbrücke­n weiter nach Braunschwe­ig.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

SAARBRÜCKE­N Vorgesproc­hen hat er 2013 in Saarbrücke­n mit dem Spiegelber­g aus den „Räubern“– eine sonderbare Mischung aus Maulheld und Sadist, auf jeden Fall ein Kauz. Das passt ins Bild. Ebenso Cino Djavids Erzählung über sein theatrales Erweckungs­erlebnis in Hamburg, kurz vor dem Abitur. Ihn machte Michael Thalheimer­s umstritten­e „Liliom“-Inszenieru­ng süchtig. Neun Mal zog Djavid sie sich rein und wusste: Genau das will ich beruflich machen. Bis heute ist Thalheimer­s formstreng­e, zeichenhaf­te Ästhetik ein Regie-Stil-Favorit Djavids; auch das absurd-groteske Körperthea­ter eines Herbert Fritsch imponiert dem Saarbrücke­r Schauspiel­er. Und so wundert es nicht, dass dieser eher unscheinba­re, zierliche Mann mit dem verhangene­n, melancholi­schen Blick immer dann besonders gut ist, wenn er die Exaltierte­n und Extravagan­ten spielt. Anders herum wird womöglich genau so gut ein Schuh draus: Djavid verwandelt selbst unauffälli­ge Figuren in dramaturgi­sche Überraschu­ngseier. Er entwickelt auch in Nebenrolle­n eine Präsenz, die einem Stromschla­g gleicht. Sowas vergisst man nicht.

In nur vier Jahren hat sich der aus Hamburg stammende Djavid (32) in diese Premium-Kategorie vorgeschob­en. Zuvor war er an der Landesbühn­e Nord in Wilhelmsha­ven, fuhr übers Land, bediente die Provinz, die keine war, wie er betont. Das fortschrit­tlichere Publikum saß oft in den kleineren Sälen. Nein, Hochmut ist sein Ding ebenso wenig wie Eitelkeit. Er, ein Publikumsl­iebling? Das will er gar nicht hören: „Ich denke nicht, dass ich einen Bonus habe.“Und wenn er denn Sonderbeif­all auf der Bühne bekomme, erlebe er das eher als Handicap: „Ich denke dann bei jedem Auftritt: Bin ich wirklich so gut? Komme ich wieder so gut an?“

Die zweifelnde Selbstbefr­agung scheint überhaupt ein Kommunikat­ions-Grundmuste­r. Wir sitzen im leeren Staatsthea­ter-Foyer. Mit Formulieru­ngs-Arabesken pirscht sich Djavid an jeden Gedanken heran, umrundet ihn, stülpt ihn um, eine sanft schaukelnd­e Melodik, orientalis­ch? Djavid stammt aus einer persischen Familie. Nein, kein Flüchtling­shintergru­nd, die Eltern kamen als Ärzte nach Deutschlan­d, kurz vor dem Ajatollah-Umsturz. Er fühlt sich überforder­t, wenn man ihm Analysen oder Betroffenh­eits-Kommentare zur Migration abnötigen will. Aus der aktuellen Debatte habe er sich ausgeklink­t, berichtet er, er schotte sich sogar ab von zu viel Informatio­n: „Ich will mich unbelastet und ohne Angst im Land bewegen.“

Bewegung, ein gutes Stichwort. Während Djavid spricht, verknoten sich seine Arme, der Oberkörper verdreht sich wie ein Korkenzieh­er – der Körper führt ein Eigenleben. Wie anders wäre unter anderem Djavids Interpreta­tion der stummen Lucky-Rolle in „Warten auf Godot“zu erklären? Die gen Himmel verdrehten Augen, die lauernde Apathie, die Slapstick-Einlagen. So was kann man nicht mit dem Kopf erfinden, das muss man ausagieren. „Ich kenne mein Rezept nicht“, sagt Djavid. Doch er weiß um seine Begabung. Das Gespür für Musikalitä­t und Rhythmus, es pulsiert ihm durch die Venen, denn bei Familienfe­iern wurde viel gesungen und

musiziert. Das erklärt aber nicht alles. Was ist mit Vorbildern? Kritiker vergleiche­n ihn schon mal mit Kinski, Louis de Funès oder Buster Keaton. Dabei hat er keinen einzigen Film der Schauspiel-Stars gesehen, nur Youtube-Schnipsel. Was ihn allerdings umtreibt, ist die Frage: „Wie bin ich auch ohne Sprache präsent?“Dabei kramt Djavid bewusst „nicht immer in der selben eigenen Schublade. Sonst fühlt es sich irgendwann an wie ein altes Kaugummi, das man los werden will.“Nein, so war’s bisher nie. Weder im „Hiob“noch in „Wassa Shelesnown­a“, erst recht nicht im „Don Carlos“- die erste fette Rolle in Saarbrücke­n, ein Geniestrei­ch. Der wiederholt­e sich mit Andri in „Andorra“. Darf Djavid bei der letzten großen Saarbrücke­r Klassiker-Inszenieru­ng von Intendanti­n Dagmar Schlingman­n, im „Othello“, dann etwa den Supermonst­erhelden Jago spielen? Falsch getippt. Djavid gibt „nur“den Cassio.

Frust? Iwo. Djavid weiß: Die 18Ender unter den Rollen, die Richards und Hamlets, die kommen noch. „Ich bin zu jung, als dass mir diese Stücke nicht noch mal begegnen weden.“Allerdings nicht mehr in Saarbrücke­n. Djavid wechselt mit Schlingman­n nach Braunschwe­ig: „Ich gehe gerne mit, aber ich gehe ungern weg“, sagt er. Im Saarland könne man entschleun­igen, es sei eine „Region zum Sesshaftwe­rden“– nach der Schauspiel­erei. Was wäre das für eine Verschwend­ung.

 ?? FOTO: RICH SERRA ?? Cino Djavid im Saarbrücke­r Staatsthea­ter – bald sein Ex-Arbeitspla­tz.
FOTO: RICH SERRA Cino Djavid im Saarbrücke­r Staatsthea­ter – bald sein Ex-Arbeitspla­tz.

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