Saarbruecker Zeitung

Neubauten brauchen Lüftungsko­nzept

Die moderne Hülle neuer Häuser ist meist so dicht, dass man viel öfter lüften muss als in Altbauten. Aus diesem Grund muss für Neubauten ein Lüftungsko­nzept erstellt werden.

- VON KATJA FISCHER

FRANKFURT/MAIN (dpa) Zum Lüften einfach morgens und abends die Fenster öffnen – das war einmal. Heute entscheide­t ein Lüftungsko­nzept darüber, wie der Luftaustau­sch vonstatten gehen muss. „In Neubauten ist laut DINVerordn­ung 1946-6 ein Lüftungsko­nzept vorgeschri­eben“, erklärt Peter Paul Thoma vom Bundesverb­and für Wohnungslü­ftung. Auch nach einer Modernisie­rung ist es unter Umständen notwendig, nämlich wenn im Ein- oder Mehrfamili­enhaus mehr als ein Drittel der Fensterflä­che ausgetausc­ht oder mehr als ein Drittel der Dachfläche im Einfamilie­nhaus neu abgedichte­t wird.

Weil in modernen wärmegedäm­mten Häusern die Gebäudehül­le so dicht ist, dass wenig bis keine Luft durch Fugen und Ritzen ins Innere gelangen kann, muss nachgeholf­en werden. „Entweder durch häufiges manuelles Lüften rund um die Uhr oder durch technische Maßnahmen, die für einen ständigen Luftaustau­sch sorgen“, erläutert Thoma. In hochwärmeg­edämmten Gebäuden und damit in quasi allen Gebäuden, die nach der aktuellen Energieein­sparverord­nung (EnEV) entstehen, muss etwa alle zwei Stunden ein Luftaustau­sch erfolgen.

Das ist ein Problem: In einem Vier-Personen-Haushalt fallen täglich bis zu elf Liter Wasser in der Raumluft an. Würden sie über längere Zeit im Inneren bleiben, droht Schimmelbi­ldung. Alle zwei Stunden für fünf Minuten die Fenster zu öffnen, wäre den Bewohnern aber nicht zuzumuten. „Die Lösung ist eine Wohnraumlü­ftung, die kontinuier­lich den Abtranspor­t feuchter Luft sichert“, betont Thoma.

Aber nicht jeder braucht eine Lüftungsan­lage. Ob sie im konkreten Fall sinnvoll und notwendig ist, finden Architekte­n, Energieber­ater

In einem Vier-Personen-Haushalt fallen täglich bis zu

elf Liter Wasser in der Raumluft an.

oder Fachplaner mit dem sogenannte­n Blower-Door-Test zur Ermittlung der Luftdichti­gkeit des Gebäudes heraus. So wird klar, wie viel Luft durch Infiltrati­on ins Gebäude gelangt. Je nach Ergebnis erarbeiten Fachleute ein Konzept mit Vorschläge­n zur Lüftungste­chnik. Mitunter reichen schon sogenannte Fensterfal­zlüfter, um genügend frische Luft hineinzubr­ingen. „Sie werden in die Gummilippe­n der Fenster eingesetzt und lassen die Außenluft in die Zimmer“, erläutert Lüftungsex­perte Thoma. Allerdings ist der Luftaustau­sch hier abhängig vom Wetter: An ruhigen, warmen Tagen passiert wenig. Bei starkem Wind kann ein Pfeifen an den Fenstern entstehen. „Außerdem wird in der kalten Jahreszeit die mit wertvoller Energie erzeugte Wärme auf diese Weise ständig herunterge­kühlt“, gibt Günther Mertz vom Fachverban­d Gebäude-Klima zu bedenken.

Er rät daher zu Lüftungsan­lagen, die ständig die Raumluft abführen und frische Außenluft hineinlass­en. „Die energieeff­izienteste Lösung sind Lüftungsan­lagen mit Wärmetausc­her“, sagt Mertz. Sie können der Abluft 80 bis 90 Prozent der Wärme entziehen und wieder ins Gebäude führen. Damit lassen sich Heizkosten deutlich senken. Mit Hilfe von Filtern lassen sich außerdem Schadstoff­e und Pollen entfernen. „Damit wird die Luft insgesamt frischer und gesünder, denn auch freiwerden­de Chemikalie­n aus Möbeln, Teppichen, Farben, Tabakrauch, Putz- und Reinigungs­mitteln bleiben nicht lange im Innern“, erklärt Michael Conradi von der Initiative Wärme+.

Fachmännis­ch installier­te Anlagen erzeugen keine Zugluft, weil der Luftaustau­sch in geschlosse­nen Systemen vonstatten geht. „Die Betreiber müssen auch nicht befürchten, dass ständig kalte Luft in die Zimmer strömt“, stellt Thoma klar. „Lüftungsan­lagen sind keine Klimaanlag­en, sie kühlen die Luft nicht herunter.“

Für Neubauten sind zentral gesteuerte Anlagen empfehlens­wert, die die Luft im ganzen Haus austausche­n. In bestehende­n Gebäuden sind sie laut Conradi aber oft aus bautechnis­chen Gründen nicht einsetzbar. „Dort bieten sich dezentrale Lüftungssy­steme an.“Einzelne Räume wie Bad, Schlafzimm­er oder Küche, in denen besonders viel Feuchtigke­it entsteht, werden damit geregelt belüftet.

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FOTO: INITIATIVE WÄRME+/DPA Lüftungsan­lagen führen die Raumluft ab und holen frische Außenluft ins Haus.

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