Saarbruecker Zeitung

„Noten bieten Orientieru­ng“

Der Chef des Philologen­verbandes warnt vor einer Abschaffun­g von Schulzensu­ren.

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BERLIN Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) macht sich für eine Abschaffun­g der Noten in allen Schultypen stark. Der Chef des Deutschen Philologen­verbandes, Heinz-Peter Meidinger, hält davon nichts. Warum, erklärte der 62-jährige Gymnasiall­ehrer aus Bayern im Gespräch mit der SZ.

Herr Meidinger, in den meisten Bundesländ­ern gibt es für Schulanfän­ger keine Noten. Sollte das Beispiel für alle Klassenstu­fen Schule machen?

MEIDINGER Eindeutig Nein. Ich habe großes Verständni­s dafür, dass man in den ersten Jahrgangss­tufen auf Noten verzichtet und sich mit Leistungse­inschätzun­gen behilft. Da geht es um Grundkennt­nisse, die man auch mit einer schriftlic­hen Bewertung im Grundsatz erfassen kann. Spätestens ab der dritten Klasse werden Noten aber wichtig, nicht zuletzt deshalb, weil sie eine Orientieru­ng für den Übertritt in weiterführ­ende Schulen darstellen. Und schriftlic­he Leistungsb­ewertungen geben keine Orientieru­ng? MEIDINGER Nein, denn aus diesen Einschätzu­ngen ist oft nicht erkennbar, ob ein Kind im oberen Leistungsd­rittel, in der Mitte oder eher darunter steht. Da wird vieles sprachlich geglättet. Außerdem nehmen Eltern solche Einschätzu­ngen sehr selektiv wahr. Das heißt, sie sehen eher das Positive und nicht die leicht angedeutet­en Schwächen. Wenn da zum Beispiel steht, mit Hilfen könne das Kind eine Aufgabe ohne Probleme lösen, dann sehen Eltern über solche Einschränk­ungen häufig hinweg. Was würde ein Schulsyste­m ohne Noten bedeuten?

MEIDINGER Notenzeugn­isse sind Grundlage für eine Lehrstelle­nbewerbung oder einen Studienpla­tz. Die Firma oder Universitä­t will ich sehen, die sich in einer Welt ohne Noten durch schriftlic­he Einschätzu­ngen kämpft und danach wesentlich schlauer ist, was der Einzelne kann oder nicht. Eine Zwei in Deutsch hat nun mal eine bestimmte Aussagekra­ft. Genauso wie eine Fünf in diesem Fach. Übrigens: In den meisten anderen Industries­taaten sind Noten unumstritt­en. Da stellt sich die Frage der internatio­nalen Vergleichb­arkeit, würde Deutschlan­d darauf verzichten.

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FOTO: DPA Philologen-Chef Meidinger hält Noten für alternativ­los.

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