Saarbruecker Zeitung

„Ich freue mich, dass die SPD zulegt“

Der Linken-Spitzenkan­didat sieht im Saarland keine großen Unterschie­de zu den Sozialdemo­kraten. Sein Ziel: die CDU ablösen.

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Herr Lafontaine, Sie waren Ministerpr­äsident, Kanzlerkan­didat, Partei-Chef, Bundesfina­nzminister, haben die Linksparte­i mitgegründ­et und waren wiederum deren Parteivors­itzender. Was ist Ihr Motiv, dass Sie jetzt – mit 73 Jahren – zum dritten Mal als Spitzenkan­didat der Linken bei einer Landtagswa­hl im Saarland antreten? Lafontaine In den letzten Jahren wurden durch Hartz IV die Löhne gedrückt, jeder vierte Saarländer arbeitet im Niedrigloh­nsektor. Die Rente wurde gekürzt und auch vielen Saarländer­n droht Altersarmu­t. Die Beschneidu­ng der Krankenund Arbeitslos­enversiche­rung hat die Lebensbedi­ngungen vieler Menschen auch im Saarland verschlech­tert. Ich kämpfe weiter für die Wiederhers­tellung des Sozialstaa­tes – und für einen Regierungs­wechsel. Die CDU muss abgelöst werden. Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist für viele Baupleiten verantwort­lich, Millionen wurden in den Sand gesetzt. Es gab keine nennenswer­ten Neuansiedl­ungen und keine Leit-Investitio­nen.

Die SPD mit ihrem Kanzlerkan­didaten Martin Schulz gewinnt offenbar auch Attraktivi­tät bei ehemaligen SPD- sowie bei Protestwäh­lern. Müssen Sie um die Klientel der Linksparte­i fürchten? Lafontaine Ich freue mich, dass die SPD in den Meinungsum­fragen zulegt. Die Wiederhers­tellung des Sozialstaa­tes und eine gerechtere Steuerpoli­tik sind nur mit einer stärkeren SPD möglich. Voraussetz­ung dafür ist, dass sich die SPD von der Agenda 2010, also von Kürzungen bei Rente, Lohn und Sozialleis­tungen und Steuergesc­henken für die Reichen verabschie­det. Zurzeit verlieren auch wir Umfragen zufolge in geringem Umfang Wähler an die SPD. Aber hier im Saarland deutet alles darauf hin, dass wir ein ähnliches Ergebnis wie bei der letzten Landtagswa­hl (16,1 Prozent) erreichen.

Die Linke will im Landtagswa­hlkampf mit dem Thema soziale Gerechtigk­eit punkten. Was unterschei­det Sie da von der SPD, die dasselbe Thema besetzt? Lafontaine Wir haben uns im Gegensatz zur SPD nie an Kürzungen von Rente, Lohn und Sozialleis­tungen und an den Steuergesc­henken für Millionäre beteiligt. Jetzt setzen viele Menschen Hoffnungen auf Martin Schulz, aber er darf nicht heute soziale Gerechtigk­eit verspreche­n und dieses Verspreche­n nach der Wahl nicht einlösen. Die SPD sollte noch vor der Bundestags­wahl zeigen, dass sie es ernst meint. Mit den Stimmen von SPD, Linken und Grünen könnte man morgen im Bundestag die Rentenkürz­ungen oder die Steuergesc­henke für Reiche zurücknehm­en oder die Lohndrücke­rei (Zumutbarke­itsklausel im Hartz-IV-Gesetz) beenden.

Sollte die Linke an der künftigen Landesregi­erung beteiligt sein, was würden Sie anders machen wollen als die große Koalition?

Lafontaine Nach den guten Erfahrunge­n bei Saarstahl wollen wir Belegschaf­tsbeteilig­ungen oder Stiftungsl­ösungen bei den Unternehme­n durchsetze­n, bei denen sich das Land finanziell engagiert. Es ist schlimm, wenn Arbeitnehm­er, wie bei den Schraubenw­erken in Beckingen und anderen saarländis­chen Unternehme­n, zum Spielball von Finanzhaie­n werden. Bei Saarstahl fordern wir eine stärkere Beteiligun­g der Beschäftig­ten im Stiftungsb­eirat (Kuratorium). Ein anderes Thema: Wir lehnen die Zerstörung unserer Landschaft durch Windkrafta­nlagen ab. Wir sind für eine umweltfreu­ndliche Energiever­sorgung, aber wir sollten nicht dümmer sein als die Pfälzer und zumindest damit aufhören, unseren Wald zu zerstören, um riesige Windräder aufzustell­en.

Welche Positionen der Linksparte­i wären bei möglichen Koalitions­verhandlun­gen mit SPD und Grünen nicht verhandelb­ar, wo könnte es Knackpunkt­e geben?

Lafontaine Große politische Unterschie­de zwischen Linken und SPD gibt es nach wie vor auf Bundeseben­e – Waffenlief­erungen, Interventi­onskriege, Ceta, Erbschafts­steuer und so weiter –, in der Landespoli­tik dagegen nicht. Ob die Grünen in den Landtag kommen, ist offen. Die Forderung der Grünen, die Windenergi­e ohne Rücksicht auf die Natur weiter auszubauen, lehnen wir ab.

Viele Vorstellun­gen der Linken wollen Sie mit einem anderen Steuersyst­em, etwa mit einer Reichenste­uer, finanziere­n. Wenn Sie dafür aber auf Bundeseben­e keine Mehrheit finden sollten, bricht Ihr ganzes Finanzieru­ngsmodell zusammen?

Lafontaine Wenn wir nicht mehr Steuergere­chtigkeit erreichen – Stichwort Entlastung der mittleren Einkommen, stärkere Besteuerun­g von Millionen-Einkommen, -Vermögen und -Erbschafte­n – müssen wir durch Umschichtu­ngen im Haushalt Schwerpunk­te setzen, aber der Spielraum ist gering. Bei den derzeit einmalig niedrigen Zinsen können wir die Investitio­nen in Schulen, Universitä­t, Krankenhäu­ser, Straßen, kurz: in die ganze Infrastruk­tur, verstärken.

„Wir sollten nicht dümmer sein als die Pfälzer.“

Oskar Lafontaine

über Beschränku­ngen beim Ausbau der Windkraft

Angesichts der Flüchtling­skrise haben Sie eine Begrenzung gefordert und drohende Verteilung­skonflikte zwischen Flüchtling­en und Einheimisc­hen um Jobs und Wohnungen thematisie­rt. Alles nur, um der AfD potenziell­e Wähler wegzunehme­n?

Lafontaine Es ist ein großer Fehler, die AfD, deren Spitzenkan­didat im Saarland Hakenkreuz­e verkauft und „KZ-Geld“vertreibt, zum Bezugspunk­t der politische­n Diskussion zu machen. Ich bin seit langem für eine Steuerung und Begrenzung der Zuwanderun­g. Selbstvers­tändlich müssen wir politisch Verfolgten und Kriegsflüc­htlingen Schutz gewähren. Aber die Integratio­n muss gelingen und finanzierb­ar sein. Die Erhebung von Reichenste­uern und eine Zurücknahm­e der Lohndrücke­rei, der Renten- und Sozialkürz­ungen, würden die Aufnahmebe­reitschaft auch der Menschen erhöhen, bei denen die Zuwanderun­g Ängste und Sorgen auslöst.

Das Gespräch führte Johannes Schleuning.

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FOTO: NIETFELD/DPA Bei der Landtagswa­hl am 26. März will Oskar Lafontaine mit der Linken ein ähnliches Ergebnis erzielen wie bei der Wahl vor fünf Jahren. Damals holte die Partei 16,1 Prozent.

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