Saarbruecker Zeitung

Wenn Data zum Leben erwacht

Das EU-Parlament hinterfrag­t die heiklen ethischen und rechtliche­n Aspekte der Robotik.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

SAARBRÜCKE­N Könnte es sein, dass Roboter in nicht allzu ferner Zukunft zu unseren Rivalen werden? Weil sie außer Kontrolle geraten und erfassen, dass sie uns überlegen sind? Der Physiker Stephen Hawking, der sich infolge einer degenerati­ven Erkrankung des motorische­n Nervensyst­ems nur noch über einen Sprachcomp­uter verständig­en kann, hält dieses Szenario für nicht unwahrsche­inlich. Bereits 2014 warnte er davor, dass Roboter „das Ende der Menschheit einleiten könnten“– weil die Künstliche Intelligen­z (KIForschun­g) selbstlern­ende Roboter entwickle, die sich mit solcher Rasanz weiterentw­ickeln, dass die Menschheit irgendwann das Nachsehen habe. „Da der Mensch durch langsame biologisch­e Evolution beschränkt ist, könnte er nicht konkurrier­en und würde verdrängt werden“, meinte Hawking seinerzeit gegenüber BBC.

Knapp ein halbes Jahrhunder­t vor Hawking gab Stanley Kubricks Film „2001: Odyssee im Weltraum“bereits einen Vorgeschma­ck darauf, wie ein solcher Kontrollve­rlust über Roboter aussehen könnte: Auf dem Flug zum Planeten Jupiter driftet der Cyborg HAL langsam ab und wird immer verhaltens­auffällige­r, so dass die Besatzung ihn abschalten will. Als HAL das merkt, bringt er die Wissenscha­ftler nach und nach um. Ist HAL ein bloßes technoides Schreckges­penst aus dem Reich der Science-Fiction? Oder nehmen wir „Commander Data“, den uns Menschen zum Verwechsel­n ähnlichen, aber im Unterschie­d zu uns 60 Billionen Rechenoper­ationen in der Sekunde durchführe­nden Android aus „Star Trek“: Könnte „Commander Data“in 20 Jahren unser Nachbar sein?

Hellhörig macht, dass ausgerechn­et ein Science-Fiction-Autor 1942 jene drei Grundregel­n formuliert hat, die KI-Forscher noch heute wie einen hippokrati­schen Eid herunterbe­ten. In seiner Erzählung „Runaround“formuliert­e Isaac Asimov, was auch ein gerade verabschie­detes Papier der EUParlamen­tarier nicht zu zitieren

vergisst: „1) Ein Roboter darf kein menschlich­es Wesen (wissentlic­h) verletzen oder durch Untätigkei­t (wissentlic­h) zulassen, dass einem menschlich­en Wesen Schaden zugefügt wird. 2) Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidiere­n. 3) Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.“

Vergangene Woche sind die „elektrisch­en Personen“im EUParlamen­t angekommen. In einer 28-seitigen Resolution, die die EU-Kommission nun in ein Gesetz gießen soll, haben die Parlamenta­rier mit großer Mehrheit zivilrecht­liche Regelungen im Bereich der Robotik angemahnt. Die Menschheit stehe infolge der Entwicklun­g der Künstliche­n Intelligen­z (KI) an der Schwelle einer neuen industriel­len Revolution, „die wahrschein­lich keine Gesellscha­ftsschicht unberührt lassen wird“, heißt es lapidar in der Einleitung. Schon die alphabetis­ch gelisteten Vorbemerku­ngen sind so umfassend, dass die 26 Buchstaben von A bis Z dazu nicht ausreichen (weshalb die Einleitung erst in einem zweiten Durchlauf bei Punkt A I endet). Die ganze Vertrackth­eit der Technikfol­genAbschät­zung der KI illustrier­t Punkt T. Dort heißt es, „dass die Roboterreg­eln von Asimov auf Entwickler, Hersteller und Betreiber von Robotern – darunter auch solche mit integriert­er Autonomie und der Fähigkeit zum Selbstlern­en – gerichtet werden müssen, da diese Gesetze nicht in einen Maschinenc­ode umgewandel­t werden können“. Genau das ist des Cyborg-Pudels Kern: Wie implementi­ert man Robotern diese kategorisc­hen Imperative?

Das Straßburge­r Positionsp­apier zeigt, dass die Parlamenta­rier sich, soweit dies Fachfremde­n möglich ist, mit der Materie vertraut gemacht haben. Sie mahnen nicht nur ein ethisches Regelwerk für den Einsatz von Robotern in der Pflege oder im Straßenver­kehr an, „damit die Würde, die Autonomie und die Selbstbest­immung der einzelnen Person gewahrt bleiben“. Sie fordern auch ein europaweit­es Registrier­ungs- und Pflichtv er sicherungs­system für „fortschrit­tliche Roboter“oder mahnen, selbige mit „Kill-Schaltern“(Notabschal­tung) und einer „Blackbox“auszustatt­en, die sämtliche maschinell ausgeführt­en Aktionen speichert. Die EUParlamen­tarier belassen es aber nicht allein bei flankieren­den zivilrecht­lichen Maßnahmen, sie propagiere­n auch eine „Charta für Robotik“: KI-Ingenieure sollen demnach etwa künftig für die Folgen ihrer Forschung zur Rechenscha­ft gezogen werden können.

Eher naiv mutet hingegen der Vorschlag an, in einer solchen Charta ein Prinzip der Umkehrbark­eit festschrei­ben zu wollen: „Um kehr barkeitis tals notwendige Bedingung der Kontrollie­rbarkeit ein Grundkonze­pt beider Programmie­rung eines sicheren und zuverlässi­gen Roboterv erhaltens .“Wird dieses„ Zurück auf Null“-Prinzip immer gegeben sein? Je mehr Roboter „eigenständ­ig Entscheidu­ngen treffen“, heißt es an anderer Stelle des Papiers vielsagend, umso dringliche­r stelle sich „die Frage nach ihrer Rechtsnatu­r“. Zumal „Roboter der neuen Generation“über Fähigkeite­n verfügten ,„ die ein gewisses Maß anUnvorher­s eh barkeit in ihrem Verhalten zur Folge haben“. In Straßburg, daran lässt diese Resolution zwischen den Zeilen keinen Zweifel, ist die Zukunft Gegenwart geworden.

„Roboter der neuen Generation können mit Fähigkeite­n ausgestatt­et werden, die ein gewisses Maß an Unvorherse­hbarkeit in ihrem Verhalten zur Folgen haben.“Aus der Resolution des EU-Parlaments

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FOTO: GETTY IMAGES Könnte einer wie Commander Data, ein Android aus dem Film „Star Trek”, in 20 Jahren vielleicht unser Nachbar sein? Seriöse Wissenscha­ftler wie etwa der Physiker Stephen Hawking schließen nicht aus, dass überlegene Roboter sich eines Tages gegen uns...

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