Saarbruecker Zeitung

Apfel-Schuss auf Playmobil-Püppchen

Die Saison-Eröffnung im Kleinen Theater im Rathaus brachte einen detailverl­iebten, witzigen „Wilhelm Tell“.

- VON RUTH ROUSSELANG­E

SAARBRÜCKE­N Wilhelm ist ein ausgezeich­neter Schütze, aber er grüßt den vom Vogt aufgestell­ten Hut nicht, dem das Volk huldigen soll. Weshalb selbiger ihn zwingt, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen. Wilhelm tut, wie geheißen, doch seine Rache wird folgen. Jeder kennt Friedrich Schillers Drama „Wilhelm Tell“, gestrickt um die Sage vom Schweizer Freiheitsk­ämpfer, der die geknechtet­en Lande vom Tyrannen befreite.

Eine ernste Sache. Die Version, die das Weite Theater Berlin zur Spielzeite­röffnung im Kleinen Theater im Rathaus bietet, verarbeite­t das allerdings mit Witz, Elan und Spiellust. In dem EinPersone­n-Stück zieht Schauspiel­erin Christine Müller alle Fäden eines kuriosen Objekt- und Materialth­eaters (Regie: Astrid Griesbach). Schweizer Alpen, Vierwaldst­ättersee und den Rütli schleppt sie jodelnd als Motive auf Touristen-Tüten an und deponiert sie auf weißen Quadern in Schweizer Kreuz-Formation. Müller lässt zwei herzige Fingerpüpp­chen mit Schweizer Zungenschl­ag über blutrünsti­ge Waffenknec­hte tratschen und streitet mit einer beinahe vom Vogt geschändet­en Handpuppe, die nun ihre Freiheit von der händischen Dominanz verlangt.

Einmalig, wie Müller zur Apfelschus­s-Szene ein Playmobilp­uppen-Szenario auffährt, bei dem sie die Männchen per Fonduegabe­l manipulier­t und PlaymobilT­ell zum Unmögliche­n nötigt. Auch ein Teddy muss herhalten, mal wird er in den Händen von Müller als Tells Sohn zur Armbrust, mal erleidet der Bär das Schicksal des geblendete­n alten Melchtal.

In der Rütli-Einkauftas­che vollziehen aufgemalte Verschwore­ne die Eidgenosse­nschaft, Müller bläst dazu auf einem Alphorn aus Abflussroh­ren, singt zum Akkordeons­piel schwyzerdü­tsche Volksliede­r, treibt ihre Figuren an, und bereitet des Vogts Ende in den aufgeschic­hteten Quadern dunkler Gasse.

Erstaunlic­h, welch komisches Potential der „Tell“hier hat, auch wenn einem, getreu des Spielzeitm­ottos

als „Schuld & Sühne“, durch den Kopf schießt, wie einer gezwungen werden kann zu töten, um andere zu retten. Viel Applaus für diesen famosen Abend.

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FOTO: STEPHAN WALZL Christine Müller lässt sogar Püppchen auf Korken lebendig werden.

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