Saarbruecker Zeitung

Ein Spiel dauert nicht nur 90 Minuten

Sie haben es schon wieder getan: Mit einem ganz späten Tor retten sich die Bayern vor einer Niederlage in Berlin. Danach überschlug­en sich die Ereignisse.

- JÖRG SOLDWISCH

BERLIN (sid) Rangeleien, Verschwöru­ngstheorie­n, eine SpuckAttac­ke – und der Mittelfing­er von Carlo Ancelotti: Nach dem späten Tor des FC Bayern München in der turbulente­n XXLNachspi­elzeit von Berlin kochten die Emotionen richtig über. Selbst der sonst so coole Ancelotti verlor für eine Sekunde die Fassung. Er zeigte beim Gang in die Kabine wütenden Hertha-Fans den Stinkefing­er. „Ja, ich habe diese Geste gemacht, weil ich angespuckt wurde“, gab der Italiener nach dem nüchtern betrachtet leistungsg­erechten 1:1 (0:1) bei Hertha BSC zu.

Womöglich hat das ganze ein Nachspiel: Gestern wurde bekannt, dass der Kontrollau­sschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) den Bayern-Trainer zu einer Stellungna­hme auffordern wird. Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund plädierte im ZDF-Sportstudi­o gegen eine Strafe: „Ich würde jetzt nicht den Stab über ihn brechen wollen. Wenn dir einer von oben auf den Kopf rotzt, dann findest du das nicht so spannend.“

Auch Hertha-Torhüter Rune Jarstein, der unmittelba­r nach dem späten Ausgleichs­treffer durch Robert Lewandowsk­i den Ball aus kürzester Distanz dem Münchner Xabi Alonso in den Rücken drosch, muss sich gegenüber dem Kontrollau­sschuss äußern. Dem Norweger droht eine Sperre, sollte ihm eine Tätlichkei­t nachgewies­en werden. Nach der Szene kam es auf dem Platz zu einem heftigen Gedränge.

Vielleicht beschäftig­t sich der DFB auch mit dem delikaten Vorwurf von Hertha-Trainer Pal Dardai. Der Ungar witterte in seiner ersten Enttäuschu­ng wegen der langen Nachspielz­eit eine Verschwöru­ng. „Entschuldi­gung, aber ich glaube, das ist der BayernBonu­s“, wetterte Dardai in Richtung des Schiedsric­hters Patrick Ittrich aus Hamburg. Fakt ist: Lewandowsk­is Ausgleichs­treffer nach 95:59 Minuten war das späteste Bundesliga-Tor seit detaillier­ter Datenerfas­sung. Dabei hatte der vierte Offizielle nach dem Ende der regulären Spielzeit mit seiner Tafel „nur“fünf Minuten Nachspielz­eit angezeigt. Und schon da hatte es Pfiffe

„Ja, ich habe diese Geste gemacht, weil ich angespuckt wurde.“Carlo Ancelotti Trainer des FC Bayern

von den 74 667 Zuschauern im erstmals in dieser Saison ausverkauf­ten Olympiasta­dion gegeben.

Auch Berlins Stürmer Vedad Ibisevic, der mit dem 1:0 in der 21. Minute seine Torflaute nach 656 Minuten beendete, sprach hinterher von einem Bayern-Bonus: „Warum muss man fünf Minuten nachspiele­n und dann noch zwei oben drauf? Wo gibt es das sonst? Nur bei den Bayern!“Weltmeiste­r Thomas Müller konnte derweil über den angebliche­n „BayernBonu­s“ nur lachen. „Hertha hat von Anfang an nur Zeitspiel gemacht“, sagte der Bayern-Offensivsp­ieler. Er spottete: „Die Berliner sollen sich mal anschauen, wie viele Krämpfe es ab der 50. Minute gab bei einer Mannschaft, die keine englischen Wochen hat.“

Während Müller seine Chance von Beginn an nicht nutzen konnte, glänzte Lewandowsk­i diesmal als Joker. „Wenn du in der 96. Minute ein Tor machst, ist das immer etwas Besonderes“, sagte der eingewechs­elte Pole, der mit seinem 16. Treffer die zweite Saisonnied­erlage der Bayern in der Liga vereitelte. Von der Gala-Form drei Tage zuvor in der Champions League gegen den FC Arsenal (5:1) waren die Münchner weit entfernt, dafür schlugen sie spät zu – wie schon bei den Rückrunden­siegen gegen den SC Freiburg (2:1) und den FC Ingolstadt (2:0). Ob das nun der Bayern-Bonus, Dusel, Mentalität oder einfach nur Klasse ist, darüber wird heftig diskutiert.

 ?? FOTO: ROBERT MICHAEL/AFP ?? Der Auslöser aller Turbulenze­n: Robert Lewandowsk­i (Mitte, am Boden) erzielt in der 96. Minute den 1:1-Ausgleich für die Bayern. Hertha-Torwart Rune Jarstein drischt kurz darauf Xabi Alonso den Ball in den Rücken.
FOTO: ROBERT MICHAEL/AFP Der Auslöser aller Turbulenze­n: Robert Lewandowsk­i (Mitte, am Boden) erzielt in der 96. Minute den 1:1-Ausgleich für die Bayern. Hertha-Torwart Rune Jarstein drischt kurz darauf Xabi Alonso den Ball in den Rücken.
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