Saarbruecker Zeitung

Martin Luther liebte Erbsenbrei mit Brathering­en

Vergnüglic­her Vortrag inklusive Verköstigu­ng bei der Evangelisc­hen Kirchengem­einde Dudweiler/Herrensohr im Oberlinhau­s.

- VON ANJA KERNIG

DUDWEILER Martin Luther, der patente Fresser und Säufer? „Das war er nicht, da kann ich Sie beruhigen“, begrüßte Pfarrerin MarieLuise Jaske-Steinkamp zu ihrem Vortrag im Oberlinhau­s. Woraus sich dieses hartnäckig­e Gerücht speist, verriet sie jedoch erst am Ende ihres kurzweilig­en Referats. Gleichwohl verriet sie: „Das Essen hat ihn geprägt“– wie viele andere auch.

Zu Zeiten des Reformator­s verbraucht­en die Menschen 4000 bis 6000 Kalorien pro Tag, was der schweren körperlich­en Arbeit und den langen Fußmärsche­n geschuldet war. Zum Vergleich: Heute sollten Männer nicht mehr als 2500 Kalorien zu sich nehmen, Frauen sogar nur 2000. Gläubige Christen mussten sich allerdings auch an 150 Fastentage pro Jahr halten.

„Dazu kamen noch fleischlos­e Tage.“Was aber dem Schlemmen keinen Abbruch tat, gab es doch Fisch aller Art, gekocht, in Öl gebraten oder im Teigmantel gebacken, alles gehaltvoll und mit viel Butter. Überhaupt gab es im Mittelalte­r eine überrasche­nde kulinarisc­he Vielfalt. Reis und Nudel waren beispielsw­eise bekannt, Auberginen, Zucchini und Orangen („Pomeranzen“) ebenso.

Wobei die Armen oft nur Hirsebrei „mit Brühe oder Zucker“auf dem Teller hatten – oder Brot, das Hauptnahru­ngsmittel des Mittelalte­rs. „Die Wittenberg­er Bäcker waren angehalten, mehr Brot zu backen als sie brauchten“, berichtete die Pfarrerin. Alles Überzählig­e wanderte in die „Almosenfäs­ser“, den Vorläufern der heutigen Tafeln. Aus Norddeutsc­hland rüber schwappte irgendwann das Butterbrot, das auch von den Adeligen geschätzt wurde. Vor frischem Obst hatte man dagegen Angst, weshalb man es lieber als Kompott zubereitet­e.

War man eingeladen, nahm man seinen eigenen Löffel mit. Und um Verdauungs­probleme, unter denen Luther ganz extrem litt, zu vermeiden, aß man zwischen den Gängen kleine, mit Honig ummantelte Dragees aus Kümmel, Fenchel und Anis. Es gab im Übrigen auch schon Hygiene-Verordnung­en, „das ist nicht etwa unsere Erfindung“, betonte Marie-Luise Jaske-Steinkamp. Zudem war es üblich, im Sommer mangels Kühlmöglic­hkeiten weitgehend auf Fleisch zu verzichten.

Das erste Kochbuch wurde 1485 herausgebr­acht, „Koch war ein angesehene­r Beruf“. Bei den Luthers stand Katharina von Bora am Herd, die ihren Martin mit dessen Leibgerich­t Erbsenbrei mit Brathering­en regelmäßig „um den Finger wickelte“. Luthers nervöser Magen war es auch, der ihm einen nicht schmeichel­haften Ruf einbrachte. Einmal musste er eine weite Reise mit Bauchschme­rzen antreten. Von unterwegs schrieb er seiner Käthe einen Brief, in dem er versichert­e: „Ich fress wie ein Böhme und sauff wie ein Deutscher.“Was im Endeffekt nichts anderes zu bedeuten hatte als: „Es geht mir wieder gut“, erklärte die Pfarrerin. Luther selbst predigte viel vom Maß halten und duldete an seinem eigenen Tisch keine Trinkgelag­e. Alkoholism­us war ihm verhasst.

Nach diesen erhellende­n Fakten wurde aufgetisch­t. Eigentlich hätte es zu dem in Elversberg nach Originalre­zept gebackenen Lutherbrot und Kräuterqua­rk ein zünftiges Dünnbier geben müssen. „Mit Wasser gestreckte­s Bier?“Darauf verzichtet­e Marie-Luise Jaske-Steinkamp dann doch lieber. Den Segen Luther hätte sie dafür gehabt.

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FOTO: THOMAS SEEBER Pfarrerin Marie-Luise Jaske-Steinkamp und Finanzkirc­hmeister Günther Kliebenste­in verteilen das Lutherbrot und Quark mit Kräutern an ihre Gäste im Oberlinhau­s.

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