Saarbruecker Zeitung

Ein Phänomen und eigentlich unschlagba­r

Dank Francesco Friedrich darf der deutsche Bobsport von einer goldenen Olympia-Saison träumen.

- VON THOMAS WEITEKAMP

KÖNIGSSEE (sid) „Auf Jahre hinaus unschlagba­r.“Mit diesem beinahe legendären (Fehl-)Urteil über die deutschen Fußballer sorgte Franz Beckenbaue­r 1990 für Aufsehen. Fast 27 Jahre später drängt sich eine ähnliche Einschätzu­ng mit Blick auf den deutschen Bobsport auf. Der Grund für die Euphorie heißt Francesco Friedrich – und der Zweier-Weltmeiste­r bringt vieles mit, um in den kommenden Jahren alle Großereign­isse zu prägen. Mit dem Sieg bei der HeimWM am Königssee sicherte Friedrich seinen vierten WM-Titel in Serie – und war von seiner Überlegenh­eit überrascht. „Wir waren so gut unterwegs, dass ich die letzten Läufe entspannt runtergefa­hren bin“, sagt der 26-Jährige.

Friedrich gewann das Rennen mit 1,2 Sekunden Vorsprung auf den zweiten Rang. Wie viel das ist, zeigt ein Blick auf die komplette Ergebnisli­ste: Die folgenden 17 Athleten bewegten sich innerhalb der nächsten 1,2 Sekunden. Friedrich steuert den Zweierbob seit Jahren auf einem Niveau, das kein anderer Pilot dauerhaft erreicht. „Francesco ist im Zweier in einer anderen Liga“, sagt Friedrichs Oberbärenb­urger Vereinskol­lege Nico Walther, Achter am Sonntag. Auch Bronzegewi­nner Johannes Lochner, der im Vierer am kommenden Wochenende auf WM-Gold hofft, klingt ehrfürchti­g, wenn er über seinen Konkurrent­en spricht. „Wenn der im Zweier zu einem Großereign­is kommt, dann ist er eine Bank“, sagt Lochner: „Die Gegner dürfen sich keine Ausrutsche­r erlauben, er selbst macht keine Fehler.“

2013 hatte sich Friedrich in St. Moritz zum jüngsten ZweierCham­pion der Geschichte gekrönt, es folgten die Triumphe in Winterberg (2015), Igls (2016) und nun am Königssee. Am Start setzt Friedrich seit jeher Maßstäbe, der frühere Zehnkämpfe­r bringt enorme Schnellkra­ft mit. Mit Anschieber Thorsten Margis bestimmte er auch bei dieser WM wieder das Niveau auf den ersten Metern, keiner kam an die Startzeite­n heran.

Fahrerisch erklimmt Friedrich bislang Jahr für Jahr die nächste Stufe, „seine Erfolge haben ihm enormes Selbstvert­rauen an den Lenkseilen gegeben“, sagt Bundestrai­ner René Spies. Mit seinem fünften WM-Titel in Folge könnte der Zweier-Spezialist in zwei Jahren die Rekordseri­e des Italieners Eugenio Monti (1957 bis 1961 siegreich) kopieren – und auch dessen Gesamt-Bestmarke von sieben Titeln angreifen.

Zunächst gilt es in ziemlich genau zwölf Monaten allerdings, Wiedergutm­achung zu betreiben. 2014 ging Friedrich bei den Winterspie­len in Sotschi mit dem gesamten deutschen Team unter. 2018 in Pyeongchan­g soll nun das erste Olympiagol­d her.

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FOTO: IMAGO Bobpilot Francesco Friedrich und seine Trophäe.

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