Saarbruecker Zeitung

Arbeitskam­mer darf keine Partei empfehlen

Die Warnung vor bestimmten Parteien ist ein Verstoß gegen die Neutralitä­t des Staates, entschiede­n Richter.

- VON DANIEL KIRCH

Das Saar-Verwaltung­sgericht hat eine Wahlempfeh­lung der Arbeitskam­mer per einstweili­ger Anordnung gestoppt. Die Kammer hatte vor der Wahl rechtsextr­emer und rechtspopu­listischer Parteien gewarnt.

SAARLOUIS Die Arbeitskam­mer darf ihren Mitglieder­n vor der Landtagswa­hl am 26. März keine Wahlempfeh­lungen geben und sie nicht vor einer Stimmabgab­e für rechtsextr­emistische und rechtspopu­listische Parteien warnen. Das Verwaltung­sgericht in Saarlouis gab gestern dem Antrag der NPD Saar auf Erlass einer einstweili­gen Anordnung statt. Die drei Richter erkannten in einer am 9. Februar per Pressemitt­eilung verbreitet­en „Wahlempfeh­lung der Arbeitskam­mer“einen Verstoß gegen die Neutralitä­tspflicht des Staates und seiner Organe (Az. 3 L 262/17). Die Kammer, die 1951 als Körperscha­ft des öffentlich­en Rechts gegründet wurde, muss die Mitteilung nun von ihrer Internetse­ite löschen. Ein „Eingriff in den Wahlkampf“gehöre nicht zu den Aufgaben, die das Gesetz der Arbeitskam­mer zuweise, argumentie­rten die Richter unter anderem in ihrem Beschluss.

In der Veröffentl­ichung hatte die Kammer ihren 488 000 Mitglieder­n (alle sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten und Arbeitssuc­henden im Saarland) empfohlen, bei der Landtagswa­hl jene demokratis­chen Parteien zu wählen, die sich konsequent für Arbeitnehm­erinteress­en einsetzen. Sie warnte „ausdrückli­ch davor, rechtspopu­listische oder rechtsextr­eme Gruppierun­gen zu unterstütz­en“. Das Wahlergebn­is müsse „ein Aufstand der Anständige­n“sein.

Die Kammer berief sich auf das Widerstand­srecht des Grundgeset­zes. Dieses räumt jedem Deutschen das Recht zum Widerstand gegen jeden ein, der Demokratie und Rechtsstaa­t beseitigen will, aber nur, „wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“. Das sah das Verwaltung­sgericht nicht als gegeben an. Die Richter argumentie­rten sinngemäß: Um sich auf das Widerstand­srecht berufen zu können, müsste eine Situation existieren, die ein Parteiverb­ot gerechtfer­tigt hätte. Dieses sei jedoch unterblieb­en. Das NPD-Verbotsver­fahren vor dem Bundesverf­assungsger­icht war im Januar gescheiter­t. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass derzeit Anhaltspun­kte dafür fehlen, dass die NPD ihre verfassung­sfeindlich­en Ziele auch wirklich durchsetze­n kann.

AK-Hauptgesch­äftsführer Thomas Otto sagte der SZ: „Wir sind irritiert. Wir sind der Meinung, dass wir uns sehr wohl inhaltlich mit der Wahl auseinande­rsetzen müssen.“Die Grundlage dafür sieht er im Sozialstaa­tsgebot und im Auftrag der Kammer, die sozialen und wirtschaft­lichen Interessen der Mitglieder wahrzunehm­en.

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