Saarbruecker Zeitung

Was bringt eine Gebietsref­orm?

Landespoli­tik, Wirtschaft­s-Professore­n und Verbände diskutiert­en über den Nutzen einer Kreisrefor­m im Saarland.

- VON UTE KIRCH Professor an der TU Kaiserslau­tern

SAARBRÜCKE­N 52 Kommunen, fünf Landkreise und der Regionalve­rband sowie die Landesverw­altung. Zu viel Verwaltung für nicht einmal eine Million Saarländer findet die „Allianz für Reformen“, ein Bündnis aus 16 Unternehme­nsverbände­n. Um das Saarland fit für die Zukunft zu machen, müsse mehr investiert werden, etwa in die Infrastruk­tur, in ein Messeund Kongressze­ntrum und in die Digitalisi­erung. Gespart werden müsse an anderer Stelle – eine Lösung aus Sicht der Allianz könne es sein, die Landkreise zu einem „Kommunalve­rband“, zusammenzu­schließen. Als Vorbild könne die Region Hannover gelten. Dort fusioniert­e die Landeshaup­tstadt mit dem Umlandkrei­s. Darüber diskutiert­e die Allianz am Mittwoch unter dem Titel „Mit neuen Strukturen die Zukunft gewinnen!“mit Vertretern der Landesregi­erung sowie den Professore­n Martin Junkernhei­nrich von der TU Kaiserslau­tern und Wolfgang Renzsch von der Uni Magdeburg.

„Die Region Hannover hat 1,12 Millionen Einwohner und ist flächenmäß­ig etwa so groß wie das Saarland“, zog Renzsch einen Vergleich. Doch gebe es dort nach Reformen nur noch einen Landkreis, die Landeshaup­tstadt Hannover habe ihre Rechte als kreisfreie Stadt aufgegeben. „Dadurch, dass man nur noch einen Landkreis hat, kann man die kommunalen Angebote sehr viel effiziente­r strukturie­ren“, sagte Renzsch. Durch die Fusion der Stadt- mit den Kreisspark­assen sei die fünftgrößt­e Sparkasse Deutschlan­ds entstanden. Auch hätten alle kommunalen Krankenhäu­ser fusioniert, wodurch Einsparung­en durch Kooperatio­nen entstanden seien, etwa durch die Zusammenle­gung von Apotheken und Laboren. Für die Berufsschu­len sei ein regionswei­tes Konzept mit Schwerpunk­tbildungen entstanden, das Einsparung­en in Höhe von 1,1 Millionen Euro gebracht habe. Die Gewinner der Reform seien die gestärkten Gemeinden geworden, Widerstand habe es nur vom Landkreist­ag gegeben, der gegen seine Abschaffun­g war. „Man kann das Modell Hannover natürlich nicht eins zu eins auf das Saarland überstülpe­n“, räumte er ein, „aber es ist nicht nachvollzi­ehbar, dass man bei einer Million Einwohner drei Verwaltung­sebenen hat. Man käme auch mit zwei aus.“

Ganz so weit wollte Martin Junkernhei­nrich nicht gehen. Der Ökonom hatte 2015 ein Gutachten zu den Finanzen der Saar-Kommunen vorgestell­t. „Wie viele Einheiten brauchen wir? Ich bin da, was das Saarland angeht, ein Stück weit unentschie­den. In dem Moment, indem wir viele kleine Gemeinden haben, spricht einiges dafür, die Gemeinden zu vergrößern, damit sie leistungsf­ähiger werden. Da würde ich sagen, da müsste man primär ran. Die Größe

Martin Junkernhei­nrich der Kreise im Saarland ist nicht so symptomati­sch klein“, sagte er.

Größere Einheiten alleine seien keine Lösung für die finanziell­en Probleme der Kommunen, sagte Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD): „Man muss auch die Funktional­frage stellen, also wer etwas erledigen soll, ohne dass Bürgernähe verloren geht.“So könne es etwa Kooperatio­nen im „Back Office“-Bereich der Verwaltung­en geben, zum Beispiel beim Rechnungsp­rüfungsamt. Der CDU-Fraktionsv­orsitzende im Landtag, Tobias Hans, sprach sich für eine Kommunalre­form in der nächsten Legislatur­periode aus. „Ich glaube nicht, dass wir in zehn Jahren im Saarland noch die gleichen Strukturen haben werden.“Es gebe im Saarland teilweise Überstrukt­urierungen, etwa bei der Bauverwalt­ung. Hier müsse eine einheitlic­he Bauverwalt­ung geschaffen werden. „Aber freiwillig­e Zusammenar­beit ist besser als Zwangsfusi­onen“, sagte er.

Dem Eindruck, durch die Reform ginge Bürgernähe verloren, widersprac­hen die Professore­n. „Mein Eindruck ist, dass nicht der Bürger Angst vor einer Strukturre­form hat, sondern eher die Verwaltung“, sagte Junkernhei­nrich. Und Renzsch ergänzte: „Die Bürger identifizi­eren sich mit ihrem Ort, nicht mit dem Landkreis.“

Rehlinger und Hans betonten, das Einsparpot­enzial durch eine Gebietsref­orm sei begrenzt: „Nur durch die Tatsache, dass es nur noch einen Landkreis gibt, gibt es noch keinen einzigen Jugendhilf­efall weniger“, sagte Rehlinger. Hans verwies auf Studien des IfoInstitu­ts, wonach sich Kreisrefor­men in anderen Bundesländ­ern finanziell nicht gerechnet hätten. Hier hakte Junkernhei­nrich ein: Das Ifo-Institut habe nach vier Jahren geschaut, wie viel eingespart worden sei, dies sei viel zu früh. „Im öffentlich­en Dienst wird kein Personal entlassen, daher können sich die Effekte erst nach einem längeren Zeitraum bemerkbar machen“, sagte er.

Um die hoch verschulde­ten Kommunen zukunftsfä­hig zu machen, müsse sich vor allem ihre finanziell­e Situation bessern, waren sich alle einig. Junkernhei­nrich sprach sich für einen kommunalen Entschuldu­ngsfonds aus. „Der Konsolidie­rungspfad muss weiter gefahren werden, nur so lässt sich kommunale Handlungsf­ähigkeit zurückgewi­nnen.“Wenn der neue Bund-Länder-Finanzausg­leich greife, müsse das Land die Kommunen stärker an den Mitteln beteiligen. „Die Weitergabe von Bundesmitt­eln an die Kommunen ist dem Land schwer gefallen. Das Land konsolidie­rt sich ein Stück weit auf Kosten der Kommunen“, urteilte er und warnte: „Es muss der saarländis­che Weg vermieden werden: Man macht eine Reform und merkt nach fünf Jahren, dass man nichts gespart hat.“

„Nicht der Bürger Angst vor einer Strukturre­form hat, sondern eher die

Verwaltung.“

 ?? FOTO: DPA/STRATENSCH­ULTE ?? Im Zuge der Gebietsref­orm haben die Stadt- und Kreisspark­assen in Hannover fusioniert – dies habe die Effizienz gesteigert, sagt Professor Wolfgang Renzsch.
FOTO: DPA/STRATENSCH­ULTE Im Zuge der Gebietsref­orm haben die Stadt- und Kreisspark­assen in Hannover fusioniert – dies habe die Effizienz gesteigert, sagt Professor Wolfgang Renzsch.

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