Saarbruecker Zeitung

Das Leben, bei ihm ohne Verdünnung

Die Kunstsamml­ung Nordrhein-Westfalen zeigt mit „Der böse Blick“wichtige Entwicklun­gslinien des Malers Otto Dix.

- VON WELF GROMBACHER

DÜSSELDORF Bilder verkaufte Otto Dix keine. Aber als „Spießersch­reck“hatte er sich in Dresden einen Namen gemacht. Bei Porträtsit­zungen spuckte er auf den Boden, auch nachdem die Dame des Hauses extra mehrere Spucknäpfe im Zimmer verteilt hatte. Mit dem Pinsel spritzte er derart um sich, dass der Raum danach einer Renovierun­g bedurfte. An der Tür seines kleinen Ateliers stand in dicken Lettern geschriebe­n: „Ihr Besuch interessie­rt mich nicht“.

Für den 1891 in Untermhaus bei Gera geborenen Otto Dix, der als Soldat in den Schützengr­äben des Ersten Weltkriege­s erlebt hatte, wozu Menschen fähig sind, gab es nur zwei Möglichkei­ten: „Entweder ich werde berühmt oder berüchtigt.“Dafür aber brauchte er Käufer. An den Malerfreun­d Conrad Felixmülle­r schrieb er: „Ich bin weder auf die Anerkennun­g durch die Spießer oder Nichtspieß­er angewiesen, wohl aber auf das Geld der ersteren.“Weil es im gut bürgerlich­en Düsseldorf jede Menge davon gab, verwies Felixmülle­r Dix an Johanna Ey. Die hatte in Düsseldorf eine Kaffeestub­e eröffnet, in der sich mittellose Künstler trafen. Weil sie die Zeche mit Bildern bezahlten, war „Mutter Ey“bald angesehene Galeristin. Auch den jungen Dix nahm sie unter ihre Fittiche, als er 1922 nach Düsseldorf zog. Sie stellte seine Werke aus, besorgte Aufträge, suchte ihm ein Atelier, stopfte gar seine Hosen.

Mit „Der böse Blick“widmet die Kunstsamml­ung NRW Dix jetzt eine sehenswert­e Ausstellun­g und zeigt, wie er sich in seinen drei Düsseldorf­er Jahren bis zum Umzug 1925 nach Berlin als Mensch stabilisie­rte und als Künstler etablierte. Hier bekam er seine ersten Porträtauf­träge, erlernte er als Schüler an der Akademie bei Heinrich Nauen altmeister­liche Lasurtechn­iken und bei Wilhelm Herberholz neue Drucktechn­iken, wandelte sich vom expressiv-veristisch­en Dadaisten zum berühmtest­en Vertreter der Neuen Sachlichke­it neben George Grosz und Christian Schad. In der Künstlergr­uppe „Das junge Rheinland“fand er Gleichgesi­nnte. Nie wieder war Dix so produktiv. Die meisten Aquarelle malte er in Düsseldorf. Viele sind in der Schau zu sehen. 230 Werke hat Kuratorin Susanne Meyer-Büser zusammenge­tragen.

1921 reist Dix erstmals an den Rhein. Er schläft im Nebenraum von Eys Galerie und porträtier­t den Arzt Dr. Hans Koch. Nicht sehr schmeichel­haft mit dicker Brille und Schmiss auf der Backe. Dix spannt ihm die Frau aus. Beide heiraten im Frühjahr 1923. Im Juni wird Tochter Nelly geboren. Das „Bildnis Dr. Hans Koch“(1921) ist Auftakt einer Reihe bedeutende­r Porträts, die das K20 zeigt. Neben Johanna Ey (als dicke Matrone mit Diadem) malt Dix den Fotografen Hugo Erfurth (mit Schäferhun­d), den Kunsthändl­er Alfred Flechtheim und Tänzerin Anita Berber.

„Ich brauche die Verbindung zur sinnlichen Welt, den Mut zur Hässlichke­it, das Leben ohne Verdünnung“, sagte Dix über seine Arbeit. Sieht man seine Bordellsze­nen und derben Frauenakte, weiß man, was er meinte. Er war an der entlarvend­en Darstellun­g des Realen interessie­rt. Mehr als einmal führte das zum Skandal. Als das Kölner Wallraf-Richartz-Museum etwa sein Gemälde „Schützengr­aben“ankaufte, war der Protest der Besucher so heftig, dass Bürgermeis­ter Konrad Adenauer die Entfernung und Rückgabe durchsetzt­e.

Nicht weniger verstörend ist der Radierzykl­us „Der Krieg“(1924) mit seinen zerstückel­ten Leibern. Alle 50 Blätter sind im K20 zu sehen. Ausstellun­gsarchitek­t Ulrich Zickler hat eine Art Tunnel in die große Grabbe-Halle hinein gebaut, der die düstere Wirkung noch verstärkt und jedes einzelne Bild voll zur Wirkung bringt. Dix selbst sagte zu den Kriegsbild­ern: „Man muss den Menschen im entfesselt­en Zustand gesehen haben, um etwas über den Menschen zu wissen.“Ganz bewusst wollte er schockiere­n. Bei sich zu Hause hing über dem Esstisch deswegen die Grafik „Lustmord“, die einen aufgeschli­tzten Frauenleib zeigt. .............................................

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FOTOS: KUNSTSAMML­UNG NRW Otto Dix 1926 entstanden­es „Bildnis des Fotografen Hugo Erfurth mit Hund“.

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