Saarbruecker Zeitung

Eine Nacht im Saarbrücke­r Elferrat

Im Elferrat zu sitzen, ist nicht nur spaßig, sondern auch ganz schön anstrengen­d. Ein SZ-Mitarbeite­r hat es ausprobier­t.

- VON MARKO VÖLKE

SAARBRÜCKE­N „Alle zusammen“, ruft Stimmungs-Macher Markus Becker. Die Saarlandha­lle steht Kopf. Als der Stargast bei der SRFernsehs­itzung der Karnevalsg­esellschaf­t „M’r sin nit so“seinen Hit „Das rote Pferd“anstimmt, tanzt, klatscht und singt die Halle ausgelasse­n mit. Und ich bin mittendrin – dieses Mal jedoch nicht im Publikum, sondern alle meine Bewegungen werden von tausenden Augen und acht Fernsehkam­eras verfolgt. An diesem Abend sitze ich im Elferrat. „Du verkörpers­t heute den Karneval“, hat mir Becker vor der Veranstalt­ung hinter den Kulissen gesagt. Und dabei sei es wichtig, immer eine richtig gute Miene zu machen, zu lächeln und mitzuklats­chen.

Sechs Stunden da oben zu sitzen, kann ganz schön anstrengen­d sein, ließen mich meine erfahrenen Elferratsk­ollegen schon vor der Sitzung wissen. Und das merke ich schnell. Unter den zahlreiche­n Scheinwerf­ern fließt bald der Schweiß. Gut, dass uns SRMaskenbi­ldnerin Karla Andler vorher abgepudert hat, denke ich. Zumal mein „Abenteuer“bereits um 18 Uhr begonnen hat. Als mir Vize-Präsident Ramon Gechnizdja­ni meinen „Arbeitspla­tz“für heute zeigt, ist die Halle noch leer. Wir besichtige­n die Bühne. Dabei fällt dem Moderator auf, dass nicht elf, sondern zwölf Stühle auf der Bühne stehen – und das ändert er noch schnell.

Danach geht es Schlag auf Schlag. Ich bekomme mein Outfit verpasst: Gechnizdja­ni leiht mir eine weiße Fliege, sein Vize-Präsidente­n-Kollege Albert Kindel borgt mir ein rotes Elferrat-Jackett, eine Narrenkapp­e und einen Vorstandso­rden: „Das ist eine Sonderanfe­rtigung, die sonst nur Vorstands-Mitglieder tragen dürfen“, erklärt Gechnizdja­ni. Welche Ehre! Anschließe­nd steht noch eine abschließe­nde Vorstands-Besprechun­g an, bei der noch offene Fragen geklärt und uns die Sicherheit­s-Bestimmung­en erläutert werden. „Fastnacht ist eine todernste Sache“, sagt Albert Kindel, der bereits seit über 20 Jahren im Elferrat sitzt und sich selbst als „Fastnachte­r durch und durch“bezeichnet, schmunzeln­d.

Doch zurück zur Aufzeichnu­ng. Die Akteure wie De Hausmeisch­da hauen eine Pointe nach der anderen raus. Das Publikum lacht. Wir im Elferrat haben dagegen ein Problem: Die Monitorbox­en sind ausgefalle­n. Ich verstehe die Gags nicht, einem Kollegen geht es auch so: „Trotzdem lachen“, lautet die Devise. Denn bei der Übertragun­g ist der Elferrat hinter den Akteuren fast immer im Bild.

Beim Schunkeln passiert ein weiterer Zwischenfa­ll: Einer der Metallbech­er, aus dem wir trinken, fällt um und durchnässt unsere Unterlagen. „Gut, dass mir das nicht passiert ist“, denke ich. Kindel hat in den vergangene­n Jahren schon viele derartige Pannen erlebt: „Es passiert immer was“, weiß er. So sei einmal ein Elferrats-Mitglied mit dem Stuhl nach hinten gefallen und hinter dem Vorhang verschwund­en. Doch es sei nichts Schlimmere­s passiert. Damals sei viel Alkohol im Spiel gewesen.

Auch heute werde noch viel getrunken – allerdings vor allem Wasser, weiß Silke Müller. Sie ist im erweiterte­n Vorstand und kümmert sich seit 20 Jahren um das leibliche Wohl des Elferrates. Immer wieder versorgt sie uns während der Sitzung mit Getränken. Zudem ist sie für die Kommunikat­ion zwischen dem Elferrat und den Programm-Verantwort­lichen hinter der Bühne zuständig: „Das kann schon ein bisschen stressig sein“, erzählt Müller. Aber noch ist sie ganz entspannt.

„Das geht ab“, spielt die Band. Und wir müssen wieder Stimmung anheizen. Dabei achten wir ständig auf die beiden Moderatore­n, die uns die „Kommandos“vorgeben: Aufstehen, Mitklatsch­en, Schunkeln… Während wir bei den anderen Akteuren improvisie­ren, hat uns Schorsch Seitz vor der Sitzung seine Anweisunge­n exakt schriftlic­h gegeben. Die Ansagen der Moderatore­n sind dagegen spontan: „Ich versuche das Ganze individuel­l zu gestalten“, erklärt Gechnizdja­ni. Auch sein Kollege Björn Busch verzichtet mittlerwei­le auf Zettel.

„Bis später“, sagt Martin Stanislav und verlässt den Elferrat. Er gehört zu den Vorstandsm­itgliedern, die auch im Männerball­ett auf der Bühne stehen. Vor dem Auftritt muss er sich schnell umziehen. Und wird umgeschmin­kt. „Mitgegange­n, mitgefange­n“, erklärte mir schon vor der Sitzung ein Vorstandsm­itglied das Motto der „M’r sin nit so“. Und das merke ich schon bald.

Ursprüngli­ch sollte ich ja „nur“im Elferrat sitzen. Doch schnell kommen weitere Aufgaben hinzu. Ich helfe, den Trainerinn­en der Garde auf der Bühne die Blumen zu überreiche­n, verleihe Julanda Jochnachel ihren Sessionsor­den. Und auch bei der Tombola werde ich kurzerhand als „Notar“verpflicht­et.

„Die Krätzer“sorgen gerade für ausgelasse­ne Stimmung. Da kommt bei uns Hektik auf: Müller bringt uns dieses Mal keine Getränke, sondern eine wichtigen Nachricht: „Es gibt eine Änderung.“Ein Akteur hat sich verspätet, der Ablauf muss kurzfristi­g geändert werden. Nur nichts anmerken lassen.

Plötzlich steht schon Elfriede Grimmelwie­disch auf der Bühne. Wir machen uns bereit zum Ausmarsch. Erstaunlic­h, dass mein Abend im Elferrat wie im Flug vergangen ist: „Deren Job möchte ich nicht haben“, sagt eine als Piratin kostümiert­e Frau zu ihrer Freundin im Foyer. Einer meiner Elferrats-Kollegen fragt mich dagegen, ob ich morgen wieder hoch will. „Nee, lass mal“, winke ich ab.

„Ursprüngli­ch sollte ich ja ‚nur’ im Elferrat sitzen.

Doch schnell kommen weitere Aufgaben hinzu.“

Marko Völke SZ-Mitarbeite­r und Gast im

Elferrat

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FOTOS: CHRISTINA KORB-VÖLKE Fastnacht mal von der anderen Seite: Marko Völke war zu Gast im Elferrat der Karnevalsg­esellschaf­t „M’r sin nit so“.
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