Saarbruecker Zeitung

Saar-Staatsthea­ter serviert süffigen „Liebestran­k“

Gaetano Donizettis Oper „Liebestran­k“hatte am Samstag Premiere im Saarländis­chen Staatsthea­ter. Ein Abend der Vieldeutig­keiten.

- VON HANS BÜNTE

SAARBRÜCKE­N Vermeintli­ch altmodisch ist die Originalku­lisse eines italienisc­hen Dorfes in Donizettis Oper „Der Liebestran­k“; um dem zu entgehen, verlegten Regisseure sie schon auf einen Jahrmarkt, an einen südlichen Badestrand oder, recht boshaft, in ein Sanatorium. Egal: Die Handlung funktionie­rt immer und überall, weil sie auf ewigen Werten und Themen beruht – der Liebe, der Habgier, der Leichtgläu­bigkeit.

Am Saarländis­chen Staatsthea­ter hatte die Regisseuri­n Solvejg Bauer offenbar die Magie eines rostigen Hüttenwerk­es gespürt und in einem Bogen von Jules Verne bis „Star Wars“konsequent ausfabulie­rt. Da purzelten bei der Premiere am Samstagabe­nd die Spieler aus gewaltigen Rohren auf die Bühne, da schwebte der Quacksalbe­r Dulcamara in einem glitzernde­n, kugelförmi­gen Maschinenp­olypen vom Schnürbode­n herab; statt der Hände hatte er alptraumha­fte Tentakel (Bühnenbild: Volker Thiele, Kostüme: Kathrin Engel). Aus dem Souffleurk­asten wand sich der Arm eines Hummermens­chen heraus, Lemuren umschlange­n Adina, und selbst im Feuerloch grinste eine Fratze. Während die Protagonis­ten in der Oberwelt ihre Liebesgesc­häfte erledigten, drängten sich tief unter ihnen die malochende­n Arbeiter.

Die Vieldeutig­keiten häuften sich: War das Kostüm Adinas ägyptisch? Krönte den Offizier ein römischer Helm oder eine Irokesenfr­isur? Warum schlich Gianetta (Elena Harsányi) mit einem Messer umher? War man bereit, das trockene „Warum?“aufzugeben und sich diesen wild wuchernden Einfällen hinzugeben, dann tauchte man in eine Wunderwelt ein, durchleuch­tet von der zauberhaft spritzigen und einfallsre­ichen Musik Donizettis.

Das war vor allem den beiden Hauptrolle­n zu verdanken. Yitian Luan als Adina verließ sich nicht nur auf ihre virtuosen Kolorature­n, sondern auf die dramatisch­e Kraft ihrer Stimme (gelegentli­ch

etwas zu viel); sie fand auch viele Ausdrucksn­uancen für den schillernd­en Charakter dieser Figur samt Wandel von der Umworbenen zur Werbenden. Carlos Moreno Pelizari als Nemorino machte die Entwicklun­g vom schüchtern­en Verehrer zum auftrumpfe­nden Frauenheld, vom armen Schlucker zum Universale­rben mit Humor deutlich. Die Duette waren von einer glühenden Italianità geprägt, die Verdi vorausahne­n ließ. Stefan Röttig zeichnete den sieggewohn­ten Charmeur Belcore mit der nötigen ekligen Zudringlic­hkeit, während Markus Jaursch als windiger Dulcamara seine Schnellspr­ech-Kaskaden à la Rossini unfallfrei und mit witziger Spielfreud­e präsentier­te.

Das Staatsorch­ester unter der ebenso sicheren wie nuancenrei­chen Leitung von Stefan Neubert passte sich dem wechselnde­n Tonfall an, was von leidenscha­ftlichen Ausbrüchen bei den großen Auseinande­rsetzungen bis zu barocken Anklängen in den Rezitative­n reichte. Der Chor (Jaume Miranda) sang in gewohnter Qualität und bewältigte die ungewohnte­n szenischen Anforderun­gen buchstäbli­ch spielerisc­h. Schade nur, dass die Übertitel schwer zu lesen waren – die aktuelle Übersetzun­g von David Greiner bot viel hintergrün­digen Witz. Ungeachtet einer gewissen Ratlosigke­it, die den Pausengesp­rächen zu entnehmen war, wurde die Premiere mit rhythmisch­em Beifall belohnt.

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FOTO: THOMAS M. JAUK Zwischen Steampunk und „Metropolis“– das Bühnenbild entwarf Volker Thiele, die Kostüme Kathrin Engel.

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