Saarbruecker Zeitung

Was sich Wagenknech­t fürs Saarland wünscht

SERIE ZU GAST IN DER REDAKTION Die Linken-Chefin wittert eine Wechselsti­mmung in Deutschlan­d.

- VON THOMAS SCHÄFER Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Frauke Scholl „Wir sollten jedenfalls nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren.“ Sahra Wagenknech­t Linken-Fraktionsv­orsitzende

SAARBRÜCKE­N Das schöne Gesicht der Linken lächelt. Eine große deutsche Zeitung hatte das dieser Tage in Frage gestellt. Sahra Wagenknech­t sei verbissen, unnahbar, eine Einzelkämp­ferin, die nie lacht. Beim Besuch in der SZ-Redaktion bestätigt sich dieser Eindruck nicht. Ob es an der heimischen Umgebung liegt? Seit fast fünf Jahren wohnt Wagenknech­t mit ihrem Mann Oskar Lafontaine im Merziger Stadtteil Silwingen. Sie wirkt gut gelaunt, frisch, jünger als die 47, die in ihrem Pass stehen.

Sie spricht äußerst präzise. Doch ihre Worte gefallen nicht jedem, auch in der eigenen Partei nicht. Vor allem, wenn es um Flüchtling­e geht. Ob sie Aussagen bereue aus den letzten Monaten? Sie widerspric­ht vehement: „Wenn ich darauf hinweise, dass in Deutschlan­d über Jahre Polizei abgebaut wurde und sich dadurch die öffentlich­e Sicherheit verschlech­tert hat; wenn ich Frau Merkel vorwerfe, dass sie chaotische Zustände zugelassen hat, in denen wir noch nicht mal wussten, wer ins Land kommt, was soll ich da zurücknehm­en? Diese Politik hat viele Menschen verunsiche­rt. Es ist falsch, diese Menschen mit ihren Ängsten der AfD zu überlassen.“

Merkels konzeption­slose Grenzöffnu­ng im Herbst 2015 habe unkalkulie­rbare Gefahren mit sich gebracht, das hätte nicht sein müssen, findet Wagenknech­t. „Probleme zu benennen, das ist nicht rechts. Im Gegenteil: Man hat fahrlässig die AfD dadurch gestärkt, dass man über eine gewisse Zeit so getan hat, als sei Zuwanderun­g in beliebiger Größenordn­ung kein Problem.“Vor allem Merkel sei in der Flüchtling­sfrage inzwischen doch „um 180 Grad gekippt“.

Kippt die Kanzlerin jetzt ganz? Wagenknech­t nimmt schon länger eine Wechselsti­mmung wahr. In den Umfragen habe sich das nur wegen Sigmar Gabriel nicht widergespi­egelt, dem unbeliebte­n SPDChef. „Die Stärke von Frau Merkel war immer die Schwäche ihrer Herausford­erer. Das hat sich momentan geändert.“Wagenknech­t sagt, die Linke freue sich über Martin Schulz und die Wiederaufe­rstehung der SPD. „Wobei man sagen muss: Schulz hält sich alles offen, er bleibt meistens sehr, sehr vage.“ Dennoch würde sie sich wünschen, „dass die SPD wieder eine sozialdemo­kratische Partei wird“. Auch strategisc­h: „Sollte sich die SPD so verändern, dass sie wieder ein Partner für soziale Politik wird, wäre das für uns natürlich positiv. Und es könnte die Lebenssitu­ation von Millionen Menschen verbessern.“

Wobei die Grundposit­ionen ihrer Partei nicht verhandelb­ar seien: „Wir gehen in eine Regierung, wenn es die Chance gibt, den Sozialstaa­t wiederherz­ustellen, und wenn Deutschlan­d außenpolit­isch auf Friedenspo­litik umsteuert. Wenn das nicht möglich ist, wenn Herr Schulz Merkels Politik nur mit minimalen Korrekture­n weiterführ­en will, dann setzten wir ihn aus der Opposition unter Druck.“Klare Worte, doch sie setzt den SPDHoffnun­gsträger noch mehr unter Druck. Der Mann mit saarländis­chen Wurzeln sei ja plötzlich „die Projektion­sfläche vieler Hoffnungen“. Sollten diese Hoffnungen erneut enttäuscht werden, werde am Ende die politische Rechte „noch stärker profitiere­n“. Dass es mit der AfD derzeit bergab geht, ist für Wagenknech­t keine Überraschu­ng. Viele realisiert­en, „was das für eine Truppe ist. Und vielen ist das dann doch zu unappetitl­ich“.

Was Schulz für die Wahl im Saarland in vier Wochen bedeutet? Für Wagenknech­t steht fest: Wenn Kramp-Karrenbaue­r weiterregi­eren kann und die SPD nur die gut 30 Prozent von 2012 erreichen würde, „wäre das sicher auch ein Dämpfer für die allgemeine Schulz-Euphorie“. Die Linke hat aber ganz andere Pläne. „Wir wünschen uns, dass Rot-Rot eine Mehrheit bekommt.“Das wäre gut für das Saarland, findet sie, mehr Geld für Bildung und Soziales sei dann möglich – und weniger Windkraft: „Es muss nicht auf Teufel komm raus auf jedem Hügel im Saarland ein Windrad stehen.“Den „sehr speziellen“Saar-Grünen traut sie den Einzug in den Landtag nicht erneut zu und ohnehin nicht recht über den Weg: „Sie haben im Saarland doch schon eine Mitte-links-Koalition verhindert.“Auch die Wahlen im Nachbarlan­d Frankreich beschäftig­en Wagenknech­t. Wieder hat sie eindeutige Ansichten: „Wenn Le Pen zur Präsidenti­n gewählt wird, ist die EU am Ende.“Dass diese Wahl oder die Bundestags­wahl von finsteren Mächten in Russland beeinfluss­t wird, hält sie für abwegig.

Doch Trump ist Präsident, man muss wohl mit ihm klarkommen. Aber wie? „Wir sollten jedenfalls nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren: Was macht Trump? Sondern wir müssen unsere Interessen definieren. Und im Interesse Europas sind stabile Beziehunge­n zu Russland. Das ist eine Atommacht und ein militärisc­her Konflikt mit Russland würde als erstes Europa treffen, und zwar auf verheerend­e Weise, nicht die USA.“Spätestens hier gibt sich Wagenknech­t als Putin-Versteheri­n zu erkennen. Die Annexion der Krim sei auch ein Ergebnis des Regierungs­wechsels in der Ukraine gewesen, den die USA unterstütz­t hätten: „Das ist keine Entschuldi­gung. Aber nicht wenige Beobachter meinen, er wäre gestürzt worden, wenn er nicht so gehandelt hätte.“Putin als großer Schreckens­mann, damit kann Wagenknech­t nichts anfangen: „Putin ist das Oberhaupt eines Oligarchen­kapitalism­us, aber er ist relativ berechenba­r. Stellen Sie sich vor, in Moskau würde ein halbverrüc­kter Nationalis­t am Atomknopf sitzen. Das wäre extrem gefährlich.“

Könnte stimmen. Zum Lachen ist die derzeitige politische Großwetter­lage aber auch so nicht. Wagenknech­t lächelt trotzdem hin und wieder. Sie kann es also.

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FOTO: LORENZ Sahra Wagenknech­t wünscht sich Rot-Rot im Saarland.

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