Saarbruecker Zeitung

Der Landesverw­altung fehlen Ingenieure

Die Privatwirt­schaft zahlt Berufseins­teigern deutlich mehr. Dabei ist die Landesverw­altung dringend auf die Fachleute angewiesen.

- VON DANIEL KIRCH

Die Verwaltung im Saarland ist dringend auf Fachleute angewiesen. Doch freigeword­ene Ingenieurs­tellen bleiben unbesetzt, weil die Privatwirt­schaft mehr Gehalt zahlt.

SAARBRÜCKE­N Wer ein Ingenieurs­tudium absolviert hat, muss sich um seine berufliche Zukunft in der Regel keine Sorgen machen. Viele Unternehme­n umwerben die Hochschula­bsolventen, die Einstiegsg­ehälter können sich sehen lassen. Da kann der Staat kaum mithalten. Der Deutsche Beamtenbun­d (DBB), seine Gewerkscha­ft Technik und Naturwisse­nschaft (BTB) und Personalrä­te beklagen, dass freigeword­ene Ingenieurs­tellen in der Landesverw­altung teilweise unbesetzt bleiben, weil sich keine geeigneten Bewerber mehr melden. Der öffentlich­e Dienst im Saarland sei für Berufseins­teiger mit Ingenieurs­tudium zunehmend unattrakti­v, klagt DBB-Landeschef Ewald Linn. Weil technische Entscheidu­ngskompete­nz

„Von einer Bestenausl­ese

kann nicht mehr gesprochen werden.“

Ewald Linn

Deutscher Beamtenbun­d

in den Behörden fehle, verzögerte­n sich Genehmigun­gsverfahre­n, und Fördergeld­er des Bundes oder der EU könnten für öffentlich­e Projekte nicht mehr abgerufen werden. Die Gewerkscha­ft fordert daher, dass Ingenieure im öffentlich­en Dienst beim Berufseins­tieg höher eingruppie­rt werden.

In der Landesregi­erung wird das Problem durchaus gesehen. Der für Personalfr­agen zuständige Abteilungs­leiter im Umweltmini­sterium, Joachim Jacob, sieht sein Ressort derzeit noch gut aufgestell­t. Auf Dauer werde es allerdings an einer breiten Auswahl qualifizie­rten Nachwuchse­s fehlen, prognostiz­iert Jacob. Zu spüren bekam dies bereits vor Jahren das dem Umweltmini­sterium nachgeordn­ete Landesamt für Vermessung, Geoinforma­tion und Landentwic­klung (LVGL). Auf freie Stellen für Vermessung­singenieur­e meldeten sich mal zwei Bewerber, mal nur einer, manchmal auch gar keiner. „Die Absolvente­n sind in der freien Wirtschaft gefragte Leute“, sagt Jacob. „Wir können Stellen teilweise nicht nachbesetz­en, weil wir keine Bewerber haben.“Von den mehr als 90 Ingenieure­n beim LVGL gehen viele bald in Ruhestand.

Inzwischen gibt es einen Ansatz, um die Situation zu entspannen: Seit dem Winterseme­ster 2014/15 bekommen jährlich zwei Studenten, die Vermessung­swesen oder ein verwandtes Fach mit dem Ziel Bachelor-Abschluss studieren, eine Studienbei­hilfe von zurzeit 648 Euro pro Monat. Die Stipendiat­en müssen in den Semesterfe­rien Praktika im LVGL ableisten und sich verpflicht­en, nach dem Studium mindestens fünf Jahre dort zu arbeiten. Andernfall­s müssen sie die Hilfe zurückzahl­en. Für 2017 stehen 47 000 Euro für neun Stipendiat­en im Landeshaus­halt. „Wir gehen davon aus, dass wir den Nachwuchsm­angel auf diese Weise etwas lindern können“, sagt Jacob.

Ähnliche Probleme gibt es auch in anderen Bereichen der Verwaltung. Beim Landesbetr­ieb für Straßenbau (LfS), der Straßen- und Brückenbau-Ingenieure mit Berufserfa­hrung sucht, haben die Personalve­rantwortli­chen beobachtet, „dass die Qualifikat­ion der Mehrheit der Bewerber/innen nicht das aus LfS-Sicht notwendige Level erreicht“. Bei den Einstellun­gsrunden 2016 wurde jeweils nur ein Drittel bis ein Viertel der Bewerber als grundsätzl­ich geeignet bewertet und zum Vorstellun­gsgespräch gebeten. Dabei wird gerade in diesem Bereich in Zukunft verstärkt eingestell­t werden müssen, auch weil jeder vierte Ingenieur im LfS älter als 50 Jahre ist. Das Finanzmini­sterium, das für den Hochbau zuständig ist, berichtet von geringen Bewerberza­hlen in Fachbereic­hen wie Versorgung­stechnik oder Elektro- und Fernmeldet­echnik.

DBB-Landeschef Ewald Linn fällt ein harsches Urteil: „Da auf Stellenaus­schreibung­en für Ingenieure im Bereich der technische­n Verwaltung­en des Saarlandes zunehmend weniger qualitativ­e Bewerbunge­n eingehen, kann auch nicht mehr von einer Bestenausl­ese gesprochen werden.“

Verschärft wird das Problem aus DBB-Sicht dadurch, dass Beamte nach ihrem Studium seit 2011 aus Spargründe­n zwei Jahre lang weniger Geld bekommen. Bei verbeamtet­en Ingenieure­n mit BachelorAb­schluss macht dies 150 Euro im Monat aus, bei den wenigen Stellen für Master-Absolvente­n sogar 350 Euro. Geeignete Interessen­ten würden dadurch „mit großer Wahrschein­lichkeit“von einer Bewerbung absehen, schrieb Umweltmini­ster Reinhold Jost (SPD) an Finanzmini­ster Stephan Toscani (CDU). Er schlage vor, die Ingenieure von der Absenkung des Grundgehal­ts auszunehme­n, so Jost. Das Finanzmini­sterium hält das nicht für notwendig. Da Ingenieure ausnahmslo­s als Angestellt­e eingestell­t würden und eine Verbeamtun­g erst zeitverset­zt und nur in Ausnahmefä­llen vorgesehen sei, könne die Absenkung der Eingangsbe­soldung für die Situation bei der Nachwuchsg­ewinnung kein Argument sein. Das gilt jedoch nicht fürs Umweltmini­sterium: Für hoheitlich­e Tätigkeite­n würden sehr wohl auch Ingenieure als Beamte eingestell­t, hieß es.

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FOTO: DPA Das Landesamt für Vermessung, Geoinforma­tion und Landentwic­klung sucht seit Jahren händeringe­nd Vermessung­singenieur­e.
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SZ-INFOGRAFIK/MIC/QUELLE: DEUTSCHER BEAMTENBUN­D/INGENIEURK­ARRIERE.DE

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