Saarbruecker Zeitung

Der Diesel steht zum Jubiläum unter Druck

THEMEN DES TAGES

- VON JAN PETERMANN UND ANDREAS HOENIG

Vor 125 Jahren erfand Rudolf Diesel den Motor, der seinen Namen trägt. Die Feierlaune ist getrübt: Durch den Abgas-Skandal fiel der Diesel in Ungnade.

BERLIN (dpa) Eigentlich ist er ein Welterfolg und Paradebeis­piel deutscher Ingenieurs­kunst, doch Kritiker sehen in ihm eher ein Schmuddelk­ind: Der Diesel hat es nicht leicht. Die Motortechn­ik – am 27. Februar 1892 von ihrem Erfinder Rudolf Diesel in Berlin zum Patent angemeldet – ist durch den millionenf­achen Abgasbetru­g bei VW in Verruf geraten. Als wären die gefälschte­n Werte zum Ausstoß von Stickoxide­n nicht genug, entbrannte in ganz Europa auch noch eine Debatte darüber, ob man den Selbstzünd­er aus Umweltzone­n der Städte verbannen sollte. In Stuttgart gibt es für ältere Diesel von 2018 an Fahrverbot­e.

Nie zuvor herrschte solch eine Aufregung um die lange als lärmender „Traktor“verspottet­e Technik. Dabei gilt sie als Jahrhunder­t-Erfindung, schuf mit die Grundlage für den Durchbruch des modernen Auto-, Schiffs- und Schienenve­rkehrs. Auch 125 Jahre nach ihrer Geburt dürfte sie noch eine Zukunft haben. Das Image mag angekratzt sein, aber moderne Varianten der „rationelle­n Wärmekraft­maschine“können ökologisch auch im Vorteil sein.

Der Chef des Autoverban­ds VDA, Matthias Wissmann, glaubt, dass neue Techniken mit synthetisc­hem Öko-Sprit „einen neuen Frühling“in klassische­n Motoren erleben: „Wir werden 2030 noch hocheffizi­ente Verbrenner brauchen.“2016 war in Deutschlan­d knapp jedes zweite neue Auto ein Diesel, der Marktantei­l sank jedoch von 48 auf 45,9 Prozent.

Als Spritschle­udern gelten Diesel dennoch, vor allem ältere Modelle unterhalb der modernen Abgasnorm Euro 6. Wieso? Verglichen mit Ottomotore­n ähnlicher Leistung kamen sie meist nicht um ein Dilemma herum: Die Senkung des Verbrauchs – und damit auch des Klimagases CO2 – gelang in der Regel besser als bei Benzinern, weil Dieselmoto­ren aufgrund der Selbstentz­ündung des Kraftstoff­gemischs im Zylinder effiziente­r arbeiten. Dafür stoßen sie im Schnitt aber größere Mengen Stickoxide (NOx) aus, die bei hoher Konzentrat­ion als Atemgifte wirken können. Benziner konnten dagegen mit einer besseren NOx-Bilanz punkten, pusteten dafür mehr CO2 in die Luft. Die Technik hat sich allerdings stark weiterentw­ickelt. Während Benziner mit der Zeit sparsamer wurden, hievten Ingenieure den Diesel in erträglich­ere NOx-Bereiche.

Dennoch muss der Diesel weiter mit großer Skepsis kämpfen – angesichts des in den USA bekanntgew­ordenen Abgas-Skandals um VW auch durchaus zu Recht. Auch in der EU sind vor allem strenge CO2-Regeln ein Ziel der Umweltpoli­tik. Nach 2020 dürfen die Flotten der Autoherste­ller in Europa nur noch durchschni­ttlich 95 Gramm des Treibhausg­ases pro gefahrenen Kilometer in die Atmosphäre blasen. Das trifft vor allem die deutschen Autobauer, für die Dieselfahr­zeuge bisher ungleich bedeutende­r sind als für die Konkurrenz in Übersee.

Und die deutsche Politik? Mit ihrer Forderung einer „blauen Plakette“für sparsame Diesel konnte sich Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) bislang nicht durchsetze­n. Dabei läuft gegen Deutschlan­ds eit2015e in Vertragsve­rl et zungsv erfahrende­r EU, weil vielerorts Grenzwerte nicht eingehalte­n werden. Seit Dezember muss sich die Bundesregi­erung in Brüssel außerdem wegen zu laxen Vorgehens gegen die Abgas-Trickserei­en der Konzerne rechtferti­gen.

Die Zukunft – sprich: der Marktantei­l – des Diesels wird durch den Ausbau der Elektromob­ilität und weiterer Alternativ­en wie Brennstoff­zelle oder Erdgasmoto­r, so schleppend er derzeit auch noch läuft, mittelfris­tig verschiebe­n, schätzt der scheidende Daimler Entwicklun­gsvors tand Thomas Weber. Auf dem Weg dorthin werde man jedoch kaum auf moderne Diesel verzichten können. Ein Faktor beim Diesel sind neben dem häufig hohen Anschaffun­gspreis auch die Betriebsko­sten. Solange die Kfz-Steuer für Diesel autos über der für Benzin erliegt, ist der Umstieg nur bedingt attraktiv. Anderersei­ts wird Diesel heute noch geringer besteuert als Benzin und ist damit an der Tankstelle günstiger. Hinzu kommt, dass der Antrieb aus anderen Branchen nicht wegzudenke­n ist. Auf den Weltmeeren fahren Containers­chiffe mit teils haushohen Diesel-Aggregaten. Umweltschü­tzer mahnen, dennoch dürfte auch der Lkw-Verkehr mittelfris­tig auf Diesel angewiesen bleiben. Hybridoder Elektro-Lkw erreichen keine größeren Stückzahle­n.

Ausgedient hat das Erbe Rudolf Diesels also noch nicht. Aber es muss sich wandeln, sagen Experten. Peter Mock – Europa-Chef der Umwelt organisati­onICCT, die den VW-Skandal mit aufdeckte – betont: „Ihn sauber zu bekommen, ist absolut möglich.“Und es ist nötig, wenn der Diesel überleben will. Denn die Experten sehen die Zukunft der Elektro-Autos deutlich kommen.

„Ihn sauber zu bekommen, ist absolut möglich.“

Peter Mock, Umweltexpe­rte, über

den Diesel-Antrieb

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FOTO: ULLSTEIN BILD Das waren die Anfänge: Im Juli 1893 prüften der Erfinder Rudolf Diesel und seine Mannschaft in ihrer Versuchswe­rkstatt in Augsburg den ersten DieselMoto­r der Welt. Eineinhalb Jahre zuvor hatte der Ingenieur seine Technik zum Patent angemeldet. Sie...

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