Saarbruecker Zeitung

Ziemlich graue Gesichter bei den Grünen

ANALYSE Die Öko-Partei leidet unter dem „Schulz-Effekt“: Die Umfragewer­te sind mau, und die Strategie für den Bundestags­wahlkampf gerät ins Rutschen.

- VON STEFAN VETTER

BERLIN Neue Gesichter können Wunder wirken. Bei der SPD und Martin Schulz lässt sich das gerade besichtige­n, bei den Grünen ist es genau andersheru­m. Bei der jüngsten Urwahl ihrer Spitzenkan­didaten verpasste SchleswigH­olsteins Agrarminis­ter Robert Habeck den Sieg nur um 75 Stimmen. Hätte die Parteibasi­s ihm den Vorzug vor Cem Özdemir gegeben, dann stünden die Grünen in den Umfragen womöglich nicht derart mies da. Habeck „hätte das etwas abgefedert“, heißt es in der grünen Bundestags­fraktion.

Im Vergleich zu Schulz wirken die beiden Wahlkampfs­pitzen Özdemir und Katrin-Göring Eckardt ziemlich angestaubt. Schließlic­h zählen sie schon seit rund zwei Jahrzehnte­n zum bundespoli­tischen Inventar. Da nützt es auch wenig, dass der Schwabe den jüngsten Vorstoß des SPD-Kandidaten zur Agenda 2010 als „sehr altbacken“tituliert. Tatsächlic­h bringt Schulz die ganze schöne Strategie ins Wanken, die sich die grüne Chefetage für den Bundestags­wahlkampf zurechtgel­egt hat.

Im Mittelpunk­t sollte einmal mehr die soziale Gerechtigk­eit stehen. Beim Bundespart­eitag im November hatte man sich die Köpfe heiß geredet über eine Wiedereinf­ührung der Vermögenst­euer und die Ausweitung der Erbschafts­teuer. Doch nun, da Schulz die SPD wieder zum sozialen Gewissen der Nation stilisiert, wird die Luft für die Grünen bei diesem Thema dünn. Also richtet sich das Augenmerk stärker auf die Wurzeln der Partei – Umwelt, Klimaschut­z und Bürgerrech­te. „Ökologie kommt bei Schulz gar nicht vor“, sagt einer vom linken Flügel. „Da ist viel Raum für uns.“

Auch in der Sicherheit­sdebatte sieht man Chancen: Wenn die Mehrheit der Bürger eine härtere Asylpoliti­k wolle, müssten sich die Grünen eben um die anderen kümmern, die das ablehnen. Mit einer solchen Strategie würden allerdings wohl auch potenziell­e Wechselwäh­ler verloren gegeben. Vom offiziell ausgegeben­en Ziel, am Wahltag im September „deutlich zweistelli­g“zu werden, hätte sich die Partei dann verabschie­det. Schon vor vier Jahren fuhren die Grünen magere 8,4 Prozent ein, aktuell ist der Zuspruch eher noch geringer.

Dabei könnte die Öko-Partei mit einem ähnlichen Ergebnis wie 2013 sogar noch zufrieden sein, falls sich der Wahlkampf zum Duell zwischen Martin Schulz und Angela Merkel entwickelt. Dann hätten es alle kleinen Parteien schwer, Linke und AfD inklusive. Die Grünen allerdings auch deshalb, weil sie – als gebrannte Kinder – eine klare Koalitions­aussage vermeiden wollen. Sowohl 2009 als auch 2013 hatten sie sich im Wahlkampf offen den Sozialdemo­kraten angedient. Am Ende blieb Rot-Grün stets eine Fata Morgana. Auch wenn Göring-Eckardt neuerdings wieder eine „größere Übereinsti­mmung“mit der SPD herausstel­lt und Özdemir an den „politische­n Aufbruch“erinnert, der einst von Rot-Grün ausgegange­n sei – verbunden werden die beiden Realos eher mit einer schwarz-grünen Option.

Die Stunde der Wahrheit schlägt schon am 26. März, dann wird im Saarland neu gewählt. Die Grünen waren hier schon vor fünf Jahren mit einem Stimmenant­eil von fünf Prozent gerade noch so ins Parlament gerutscht. Auch in Nordrhein-Westfalen, wo am 14. Mai Landtagswa­hl ist, drohen der Öko-Partei womöglich Verluste wegen des Schulz-Effekts. Eine Woche zuvor, am 7. Mai, ruft Schleswig-Holstein seine Bürger an die Urnen. Und im hohen Norden verheißen die Umfragen sogar einen grünen Zuwachs. Aber dort kann die Partei ja auch mit Robert Habeck werben.

Das bereits offiziell ausgegeben­e Ziel der Partei heißt, am Wahltag im September „deutlich zweistelli­g" zu werden.

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