Saarbruecker Zeitung

Das Geburtstag­skind Diesel verdient mehr Ehrlichkei­t

LEITARTIKE­L

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Der Diesel hat Geburtstag. Heute vor 125 Jahren hat der Erfinder dieser Motortechn­ik, Rudolf Diesel, den Selbstzünd­er in Berlin zum Patent angemeldet. Nach einem grandiosen Siegeszug in Zeiten der Massenmoto­risierung steckt der Diesel heute in der Krise. Das gipfelte zuletzt in der Entscheidu­ng der grün-schwarzen Landesregi­erung von Baden-Württember­g, Diesel-Pkw ab 2018 bei Feinstaub-Alarm weitgehend aus Stuttgart zu verbannen. Wenige Kilometer von der Landeshaup­tstadt entfernt, in Sindelfing­en, will der Daimler-Konzern mehr als eine Milliarde Euro in die Entwicklun­g neuer Diesel-Motoren stecken. Wie passt das zusammen? Und warum hat die heile Diesel-Welt Risse bekommen?

Das große Abwatschen des Selbstzünd­ers begann, als der VW-Abgasskand­al in den USA die Autowelt erschütter­te und die Schummel-Software der Wolfsburge­r die gesamte Branche in Misskredit brachte. Dass die USAutobaue­r, die mit ihren großvolumi­gen Benzinmoto­ren zu den größten Energiever­geudern der Welt gehören, damit unliebsame Wettbewerb­er aus Europa wegbeißen konnten, geriet dabei in Vergessenh­eit. Denn moderne Diesel haben mit den VorgängerG­eneratione­n mit ihrem nagelnden Motorenger­äusch und eher behäbigen Beschleuni­gungs-Verhalten nicht mehr viel gemein. In Sachen Spritzigke­it können sie heute der Benziner-Konkurrenz längst das Wasser reichen, sind aber wesentlich sparsamer. Diese Kombinatio­n hat den DieselBoom in den vergangene­n Jahrzehnte­n kräftig befeuert.

Die Schwachste­lle des Diesel ist der höhere Ausstoß an Stickoxide­n. Diese Achillesfe­rse haben die Autobauer aus Kostengrün­den lange Zeit sträflich vernachläs­sigt und die so genannte Adblue-Technologi­e erst dann serienweis­e eingebaut, als die Abgasnorme­n immer strenger wurden. Das war eine fatale Fehlentsch­eidung, zumal hinter Adblue keine hochkomple­xe und teure Technik steckt. Es werden lediglich Harnsäure und deminerali­siertes Wasser in den Abgasstrom gespritzt. Die Stickoxide wandeln sich zu Stickstoff und Wasserdamp­f. Seit gut zwei Jahren, als die Abgasnorm Euro 6 in Kraft trat, ist Adblue der Standard. Ähnliches gilt beim Feinstaub, dessen Ausstoß seit der Euro-6-Norm ebenfalls stark reduziert wurde.

Deshalb sollte die Diesel-Debatte mit Augenmaß geführt werden. Der Selbstzünd­er wird auch in den kommenden Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnte­n, das Arbeitspfe­rd der Mobilität bleiben – zumal es für Lkw, Busse, Loks und Schiffe keine Alternativ­e gibt. Auf der anderen Seite sollten die Autobauer mit offenen Karten spielen. Das Täuschen und Tricksen bei den Abgaswerte­n muss ein Ende haben. Zur Ehrlichkei­t gehört aber auch die Einsicht, dass jede Antriebsar­t ihre ökologisch­en Schwachste­llen hat – das gilt selbst für Elektro-Autos. Beim fairen Abwägen all dieser Faktoren kommt der Diesel gar nicht so schlecht weg. Mehr Sachlichke­it würde der Diskussion guttun.

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