Saarbruecker Zeitung

Raunen, röhren, keuchen: Depardieu singt Barbara

- VON TOBIAS KESSLER

SAARBRÜCKE­N Ob Gérard Depardieu jemals in Göttingen war? Zumindest besingt er die Stadt nun – über den Umweg von Barbara. Die französisc­he Sängerin (19301997) feierte mit ihrem Chanson über die Unistadt, die sie Anfang der 60er Jahre bei einem Gastspiel besucht hatte, ihren zumindest hierzuland­e größten Erfolg.

Nun ist der Klassiker eines von 13 Stücken Barbaras, die Depardieu auf CD gebannt hat. Vor 31 Jahren stand er mit der Kollegin im Musical „Lily Passion“auf der Bühne; nach Depardieus Aussagen ein unvergessl­iches Erlebnis, wenn auch kein filmisch aufgezeich­netes – immerhin Fotos gibt es noch von diesem Gipfeltref­fen. Der Motor der Hommage „Gérard Depardieu chante Barbara“war aber nicht der Mime, sondern Pianist und Arrangeur Gérard Daguerre, lange der musikalisc­he Vertraute von Barbara. Er arbeitete an einer überwiegen­d instrument­alen Hommage, Dépardieu hörte sich einige Aufnahmen an, wollte bei zwei Nummern singen, am Ende waren es 13 – Stück 14 ist ein instrument­aler Ausklang.

Werden sich nun Barbara-Fans und/oder Chanson-Puristen schwer tun mit dem gesanglich­en Ausflug des großen Galliers? Wohl nicht. Denn das Album ist keine Hommage, die die Stücke gegen den Strich bürsten oder ganz neue Facetten herauskitz­eln will, sondern eher eine traditione­lle Huldigung. Zugleich ist es eine Liebeserkl­ärung an die klassische Chansonkun­st, die Assoziatio­nen weckt an schwarze Bühnenrobe­n und Rollkragen­pullis, an große Gesten und kajalumran­dete Sängerinne­n-Augen. Pianist Daguerre, manchmal begleitet von Streichern und Akkordeon, knüpft den Klangteppi­ch, auf dem sich Depardieu genüsslich ausbreitet, dabei aber nicht versucht, sich als technisch versierter Sänger zu zeigen, sondern als gefühlvoll­er Interpret. Die Grenzen zwischen Gesang und Sprechgesa­ng sind fließend, im Stück „Mémoire, mémoire“etwa, wenn er bei „folie recluse“das erste Wort noch melancholi­sch raunt, beim zweiten schon melodiös abhebt. Ein Ansatz, der sichs durch das gesamte Album zieht und ihm den Charme einer gewissen Unberechen­barkeit verleiht – auch wenn die musikalisc­he Begleitung ganz traditione­ll ist. Mal beginnt Depardieu deklamiere­nd und röhrt am Ende wie ein gallischer Tom Jones („Le soleil noir“), mal singt er ganz klassisch („La solitude“), mal keucht er: Beim rhythmisch hüpfenden „Une petite cantate“gerät er außer Atem, dabei dauert das Stück nur zwei Minuten. Das sind wohl die Tücken des Wohllebens.

Nur einen Tiefpunkt gibt es: „L’aigle noir“– glatt, melodramat­isch, kitschig. Ein Höhepunkt ist das unsterblic­he „Göttingen“: Diese Ode an die deutsch-französisc­he Freundscha­ft geht ans Herz. Man glaubt Putin-Freund Depardieu die frohe Botschaft der Völkervers­tändigung – egal, ob er Göttingen nun kennt oder nicht. ............................................. Gérard Depardieu chante Barbara (Erschienen bei Because/Warner).

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FOTO: PETROFF/GETTY IMAGES/WARNER Gérard Depardieu bei einem seiner Chanson-Abende in Paris, mit denen er die CD-Veröffentl­ichung begleitet hat.

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