Saarbruecker Zeitung

Neues Urteil für Scheidungs­kinder

Getrennt lebende Eltern, geteilte Betreuung: Der BGH stimmt dem Wechselmod­ell zu, solange das Kind nicht leidet.

- Produktion dieser Seite: Monika Kühborth Frauke Scholl

Geschieden­e Mütter und Väter dürfen ihr Kind künftig im gleichen Umfang betreuen, auch wenn der Ex-Partner dagegen ist. Der Bundesgeri­chtshof gab gestern grünes Licht für das „Wechselmod­ell“.

KARLSRUHE (dpa/afp) Mütter und Väter, die ihr Kind nach der Trennung im gleichen Umfang wie der Ex-Partner betreuen wollen, können diesen Wunsch künftig unter Umständen auch gegen den Willen des Ex-Partners durchsetze­n. Nach einer Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofs (BGH) spricht grundsätzl­ich nichts dagegen, dass Familienge­richte ein solches „Wechselmod­ell“anordnen. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass das Kind eine Woche bei der Mutter lebt und dann für die nächste Woche beim Vater einzieht. Grundvorau­ssetzung ist laut dem gestern veröffentl­ichten Beschluss aber immer, dass die geteilte Betreuung dem Wohl des Kindes am besten entspricht (Az. XII ZB 601/15).

Wesentlich häufiger anzutreffe­n ist in Deutschlan­d die Variante, in der das Kind beispielsw­eise nur jedes zweite Wochenende beim Vater ist („Residenzmo­dell“). Weil sich heute viele Väter deutlich mehr an der Erziehung beteiligen als früher und Mütter häufiger im Beruf nicht zurückstec­ken wollen, hat aber ein Umdenken eingesetzt. Bislang war allerdings umstritten, ob Gerichte die abwechseln­de Betreuung anordnen dürfen, wenn die Eltern sich nicht einigen können.

Die Karlsruher Richter stellen jetzt klar, dass sich das Gesetz zwar am „Residenzmo­dell“orientiere, damit aber kein Leitbild vorgebe. Solange beide Eltern das Sorgerecht haben, spricht demnach nichts gegen eine gleichbere­chtigte Betreuung. Der Senat weist aber darauf hin, dass die Organisati­on höhere Anforderun­gen an alle Beteiligte­n stelle. Wenn die Ex-Partner stark zerstritte­n sind, dürfte das Modell deshalb in aller Regel nicht im Interesse des Kindes liegen. Entscheide­nd ist dem Beschluss zufolge außerdem, wie das Kind selbst gerne leben möchte – je älter es sei, desto wichtiger würden seine Wünsche und Vorstellun­gen. Das Gericht muss also immer das Kind persönlich anhören. In dem Karlsruher Fall war das nicht passiert. Das zuständige Oberlandes­gericht Nürnberg muss deshalb noch einmal verhandeln.

Im Ausgangsfa­ll streiten geschieden­e Eltern über den Umgang mit ihrem fast 14 Jahre alten Sohn. Der Sohn hält sich bislang überwiegen­d bei der Mutter auf und besucht einvernehm­lich den Vater alle 14 Tage am Wochenende. Der Vater strebt nun vor dem Familienge­richt gegen den Willen der Mutter die Anordnung eines paritätisc­hen Wechselmod­ells an. Er will den Sohn im wöchentlic­hen Turnus abwechseln­d von Montag nach Schulschlu­ss bis zum folgenden Montag zum Schulbegin­n zu sich nehmen.

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