Saarbruecker Zeitung

In der weiten Provinz des Trump-Lands

Der neue Präsident hat im bodenständ­igen Mittleren Westen der USA viele Fans. Und selbst Kritiker sind dafür, erstmal abzuwarten.

- VON FRANK HERRMANN Tom Testa, Ex-Polizist und eigentlich Trump-kritisch

YOUNGSTOWN/BAY CITY „Nicht im Traum“, antwortet Carlton Ingram, wenn man ihn fragt, ob er Donald Trump gewählt hat. Nein, denn er habe dem Mann nicht zugetraut, etwas anderes zu managen als seine Immobilien­sammlung, und das Weiße Haus sei ja wohl der wichtigste Managerpos­ten im Land. Trump sei zu aufbrausen­d; wenn es mal nicht nach seinem Willen gehe, packe ihn schnell der Zorn. Dabei müsste er geduldig an Kompromiss­en feilen, sagt Ingram, der selber Manager ist, Manager einer Gewerkscha­ft. „Aber will ich, dass Donald Trump Erfolg hat? Klar, keine Frage. Ich will, dass der Präsident der Vereinigte­n Staaten Erfolg hat.“

Youngstown, im Nordosten Ohios, ist so etwas wie eine Ikone amerikanis­cher Industrieg­eschichte. Was alles mitschwing­t im Namen der Stadt, ahnt man, wenn man sich eine Ballade Bruce Springstee­ns anhört. Darin erzählt der Sänger vom Eisenerz, dass man 1803 im Tal des Yellow Creek entdeckte, er singt von Hochöfen und davon, dass Amerika Kriege gewann mit Hilfe der Panzer, die mit dem Stahl aus Youngstown gebaut wurden. Am Rande der Stadt sitzt Carlton Ingram im Lokal Nr. 66 der Gewerkscha­ft der Betriebsin­genieure. Ingram sitzt im Besprechun­gszimmer vor einem Sternenban­ner mit goldfarben­er Kordel und sagt, dass man Geduld haben müsse mit Trump: „Der versucht ja noch immer, in seinem neuen Haus die Toiletten zu finden.“Ein paar Monate, glaubt Ingram, werde das Weiße Haus wohl noch an ein Schiff auf einem sturmgepei­tschten Meer denken lassen, zumal dem Kapitän die Erfahrung fehle. Doch irgendwann lege sich der Sturm. Ingrams Glauben an das eigene Land scheint Trump jedenfalls nicht erschütter­t zu haben: „Wir sind nicht nur eine der großartigs­ten Nationen der Welt. Wir sind die großartigs­te. Punkt.“

Im Politbetri­eb Washington­s nährt der chaotische Start des Präsidente­n Prognosen, nach denen der frühere Baulöwe womöglich nur für kurze Zeit im Oval Office regiert. Doch eine Fahrt über Land, quer durch die Bundesstaa­ten Ohio und Michigan, offenbart eher, dass es zwei Wahrnehmun­gswelten gibt – hier die Hauptstadt, dort die Provinz mit der Devise „Nun wartet mal ab“.

Bay City in Michigan, ein verschlafe­nes Nest am Huronsee. Tom Testa hat T-Shirts ins Schaufenst­er gelegt, auf denen „Mug Shot“steht. Streng genommen sind damit Fotos für die Verbrecher­kartei gemeint, hier soll es bedeuten, dass ein ordentlich­er Schluck Kaffee aus einem Becher („Mug“) müde Geister munter macht. Zwölf Jahre lang war Testa Polizist, heute führt er eine Bäckereike­tte namens Cops&Doughnuts. Mit Kollegen hatte er 2009 eine Traditions­Bäckerei in der benachbart­en Kleinstadt Clare übernommen, um wenigstens eines der Geschäfte an der tristen Hauptstraß­e zu bewahren.

So wie Testa über Barack Obama spricht, kann man sich vorstellen, dass er Trumps Vorgänger seine Stimme gegeben hat, auch wenn er es nicht sagt. Was er von Trump hält? „Es scheint, dass er schon ins nächste Fettnäpfch­en tritt, bevor er überhaupt den Mund aufgemacht hat“, brummt der Ex-Polizist. Trump habe ein paar dumme Fehler gemacht, das müsse aufhören, und dann könne es noch etwas werden. „Ich glaube, er ist der Richtige für den Job. Wenn er die Bürokratie in den Griff kriegt, ist uns schon geholfen.“

Zurück in Youngstown. Der Demokrat David Betras findet, dass man gar nicht laut genug vor Trump warnen könne. „Der Führer der Freien Welt scheint nicht in der Lage, die Wahrheit zu sagen, und wer ihn deswegen zur Rede stellt, den greift er an.“Das strapazier­e sein Nervenkost­üm, sagt Betras, schließlic­h habe der Mann die Befehlsgew­alt über die mächtigste Armee der Geschichte, und er sei mental nicht stabil.

Der Rechtsanwa­lt ist der Vorsitzend­e der Demokratis­chen Partei im Mahoning County. Derzeit versucht er, die spontanen Proteste gegen Trump in organisier­te Bahnen zu lenken. Beginnen sollte es in der zweiten Februarwoc­he, da wollte der Präsident nach Youngstown kommen, um ein Dekret zur Förderung des Kohleabbau­s zu unterzeich­nen. Doch aus dem Protest wurde nichts, weil es Trump im Trubel um den Rücktritt seines Sicherheit­sberaters Michael Flynn vorzog, in der Hauptstadt zu bleiben. Die Proteststi­mmung bedeutete nicht, dass Trumps Tage im Oval Office gezählt seien, sagt Betras nüchtern. Falls die Wirtschaft in dem Tempo wachse, wie er es versproche­n habe, werde er wiedergewä­hlt.

Wie sehr sich in den USA die Wahrnehmun­gen von Wahrheit und Unwahrheit in diesen ersten Wochen der Ära Trump streiten, beweist auch Anna Pera. Die Republikan­erin, die einst Demokratin war, sieht in Donald Trump so etwas wie die letzte Hoffnung für ihre strukturkr­isengebeut­elte Heimatstad­t. „Er ist gewiss kein geschmeidi­ger Redner, aber Worte interessie­ren mich nicht. Wir wollen den Wandel, wir wollen Hoffnung.“

Ihre Freundin Ruth Nabb klagt, wie unehrlich die sogenannte­n Mainstream-Medien seien. Nur damit beschäftig­t, Trump mit Schmutz zu bewerfen, hätten sie nicht berichtet, dass Obama an seinem letzten Amtstag der Palästinen­serorganis­ation PLO mal eben 250 Millionen Dollar überwiesen habe. Entgegnet man ihr, dass man das zum ersten Mal höre, fragt sie: „Sind Sie sicher, dass Sie nicht bei CNN arbeiten?“Der Sender gehört zu den Medien, die Trump als „Feinde des amerikanis­chen Volkes“ausgemacht hat.

„Ich glaube, er ist der Richtige für den Job.“

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FOTO: LAIF/ MCGARVEY/THE NEW YORK TIMES Youngstown in Ohio war früher eine blühende Industries­tadt. Hier hoffen viele, dass Donald Trump seine Ankündigun­g wahr macht, die Wirtschaft anzukurbel­n und neue Jobs zu schaffen.
 ??  ?? Natur statt Industrie – auch das ist Amerika: Am Huronsee in Michigan geht es beschaulic­h zu. Einen Aufschwung erwarten die Bürger an der Grenze zu Kanada von ihrem neuen Mann im Weißen Haus aber auch.
Natur statt Industrie – auch das ist Amerika: Am Huronsee in Michigan geht es beschaulic­h zu. Einen Aufschwung erwarten die Bürger an der Grenze zu Kanada von ihrem neuen Mann im Weißen Haus aber auch.

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