Saarbruecker Zeitung

Deutschlan­d einig Hotspot-Land

Die Bundesregi­erung will nun doch offene WLan-Zugänge zulassen – zügig und ohne Passwort-Stress.

- VON WERNER KOLHOFF Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Jörg Wingertsza­hn

BERLIN Unendliche Geschichte, finaler Akt? Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium unternimmt gerade einen neuen Versuch, wirklich frei zugänglich­e Internet-Hotspots überall in Deutschlan­d möglich zu machen. Peinlich dabei: Es ist die Nachbesser­ung eines erst im Sommer nach langem Hin und Her verabschie­deten Gesetzes.

Die Opposition hatte stets darauf hingewiese­n: Die im Juli vergangene­n Jahres in Kraft getretenen Bestimmung­en wiesen entscheide­nde Lücken auf. Die Koalition hatte zwar Schadenser­satzklagen von einschlägi­g tätigen Anwaltsbür­os unmöglich gemacht, die jeden verfolgen, von dessen Anschluss aus illegal ein Musikstück oder einen Film herunterge­laden wird. Die teils horrenden Forderunge­n waren mit dafür verantwort­lich, dass in Deutschlan­d anders als in vielen anderen Staaten offene Netze nur selten oder nur mit komplizier­ten Passwortpr­ozeduren angeboten wurden.

Doch endgültige Klarheit schuf die Reform nicht: Im Herbst urteilte der Europäisch­e Gerichtsho­f gegen einen Münchener Freifunker. Es bestätigte zwar, dass es keine Schadeners­atz-Pflicht gebe. Aber die Abmahn- und Gerichtsko­sten müsse der Mann tragen. Außerdem könne ihm eine Passwort-Pflicht auferlegt werden.

Jetzt hat das Ministeriu­m von Brigitte Zypries (SPD) einen neuen Referenten­entwurf an Länder und Verbände verschickt. Schon im März könnte das Kabinett ihn beschließe­n – wenn alle Ressorts zustimmen. Überall könnten ab Sommer dann Hotspots entstehen, in Schulen, Bibliothek­en und Bürgerämte­rn genauso wie auf Flughäfen, in Geschäften und natürlich Lokalen. Die beiden wichtigste­n Mängel des ersten Gesetzes sind in dem Entwurf korrigiert: Alle WLan-Anbieter sind von Gerichtsko­sten befreit, wenn Gäste diesen Zugang missbrauch­en. Die Geschädigt­en, meist Musik- oder Filmanbiet­er, müssen sich direkt an den Verursache­r wenden. Zudem soll es künftig keinen Zwang zu Passwortsp­erren geben. Allerdings sollen WLan-Betreiber angewiesen werden können, den Zugriff auf bestimmte Internetan­gebote zu sperren, die wiederholt illegal herunterge­laden wurden. Erste Reaktionen fielen gestern positiv aus. Und auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Wegfall der Störerhaft­ung schon mehrfach energisch angemahnt.

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