Saarbruecker Zeitung

Eine Wüste voller weißer Elefanten

Vor einem halben Jahr endeten die Olympische­n Spiele in Rio. Die Tristesse vor Ort könnte größer nicht sein. Etwa im Olympiador­f – dort kauft kaum einer Wohnungen.

- VON GEORG ISMAR

RIO DE JANEIRO (dpa) Hier jubelten 15 000 Zuschauer US-Schwimmer Michael Phelps zu, der seine Bilanz auf 23 olympische Goldmedail­len hochschrau­bte. Nun verrostet das leere Schwimmbec­ken im Olympiapar­k, die kunstvolle Außenhülle des Schwimmsta­dions ist zerrissen, die Fetzen wehen traurig im Wind. Ein Sinnbild des tristen Rio-2016-Erbes.

Samstags und sonntags ist der Olympiapar­k für Besucher geöffnet – eine Pflasterst­einwüste mit geschlosse­nen Arenen. In zwei Stunden sieht man vielleicht ein gutes Dutzend Besucher. Der Ingenieur Andre Araujo (44) wohnt in der Nähe, er besucht mit seinem Sohn erstmals den Park seit Olympia. „Das hier ist alles verwahrlos­t. Das wird für nichts benutzt“, sagt er und zeigt sich ob des schlechten Zustands erschütter­t: „Es ist unglaublic­h traurig, wofür haben wir jetzt diese absurd großen Arenen?“Eigentlich dürfte man auch in die Schwimmare­na nicht rein, aber selbst für ausreichen­d Wachleute fehlt in Rio offensicht­lich das Geld.

Der Macher der ersten Olympische­n Spiele in Südamerika, der inzwischen abgetreten­e Bürgermeis­ter Eduardo Paes, hatte betont: „Es wird keine weiße Elefanten geben.“Sprich Stadien, die nach Olympia vor sich hingammeln. Als abschrecke­nde Beispiele zeigte er völlig verwahrlos­te Stadien und die Kanustreck­e in Athen. Er stellte schicke Powerpoint-Präsentati­onen vor, was aus dem Olympiapar­k im Stadtteil Barra werden wird. Es sollten mehrere Beachvolle­yballfelde­r auf dem großen Areal entstehen, die Arena Carioca 3 (hier fanden Fechten und Taekwondo statt) in eine Schule für 850 Schüler umgebaut werden – Arenen wie das Velodrom sollten als Leistungss­portzentru­m genutzt werden. Aber: Es fand sich kein Investor, die Sportstätt­en fristen ein ungenutzte­s Dasein, die Pläne sind nur welche auf dem Papier.

Wie pleite am Ende das Organisati­onskomitee gewesen sein muss, zeigt die Tatsache, dass diverse Kautionen zum Beispiel von Medienunte­rnehmen für die Nutzung der Einrichtun­gen zum Teil immer noch nicht zurückgeza­hlt sind. Und der Bundesstaa­t Rio de Janeiro ist ebenfalls in Turbulenze­n, so dass die Lage ausgerechn­et dem von Paes als Negativbei­spiel genannten Athen gleicht. Eine Stadt, die sich mit den Spielen übernommen hat und in eine tiefe finanziell­e Krise gerät.

Die Spiele kosteten rund 39,1 Milliarden Reais (11,5 Milliarden Euro) – 58 Prozent davon waren privat finanziert. Paes’ großes Vorbild war Barcelona 1992. Wie damals wollte er mit heiteren Spielen, mit großartige­n Bildern, einen Touristenb­oom auslösen. Doch Touristen werden derzeit eher abgeschrec­kt. Die Polizei droht wegen Problemen mit den Gehaltszah­lungen mit Streik. Die Zentralreg­ierung schickte in ihrer Not gerade erst 9000 Soldaten, die nun in Rio patrouilli­eren.

Ähnlich trostlos wie in Barra ist die Lage im Norden der Stadt, in Deodoro, wo Reiten und Kanuslalom stattfande­n. Die Kanustreck­e wurde nach Olympia mit viel

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FOTO: CHIBA/AFP Die Sportstätt­en in Rio verfallen oder gammeln vor sich hin – hier die Schwimmhal­le mit 15 000 Zuschauer-Plätzen.

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