Saarbruecker Zeitung

Ihle hat wieder mal die Nerven nicht im Griff

Im kanadische­n Calgary hat der beste deutsche Eissprinte­r die Riesenchan­ce auf den WM-Titel im Sprint-Vierkampf vergeben.

- VON FRANK THOMAS

CALGARY (dpa) Nico Ihle stand der Ärger ins Gesicht geschriebe­n. Immer wieder schüttelte er den Kopf. „Es ist wie verflixt. Das ist so bitter“, sagte er fassungslo­s. Ein gravierend­er Patzer im 500-MeterRenne­n hat dem Chemnitzer in Calgary den Premieren-Titel bei Sprint-Weltmeiste­rschaften der Eisschnell­läufer gekostet. „Ich bin in der Innenkurve im Eis regelrecht eingebroch­en, habe rumgeruder­t und hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben“, schilderte der 31-Jährige die entscheide­nde Situation in der Nacht zu Montag.

Nach mäßigen 35,03 Sekunden fiel er im Sprint-Vierkampf auf Endplatz acht zurück, mit dem er trotz seines deutschen Rekordes von 136,855 Punkten überhaupt nicht zufrieden sein konnte. „Das ist nicht mein Anspruch. Ich wollte eine Medaille. Vielleicht habe ich zu viel gewollt“, sagte er.

So glänzend waren seine Chancen nach dem ersten Tag, als ihn auf Platz zwei liegend nur elf Hundertste­l von der Top-Position trennten. „Als ich dann sah, wie sich Kai Verbij über 1000 Meter einen Schnitzer leistete, ist mir erst richtig klar geworden, wie groß meine Chance war“, bedauerte Ihle. Der Niederländ­er verbessert­e schließlic­h den 14 Jahre alten Weltrekord des Kanadiers Jeremy Wotherspoo­n um 1,2 Zähler auf 136,065 Punkte und holte sich nach EM- auch das WM-Gold.

Wäre Ihle nur annähernd in den Bereich seiner deutschen Rekorde vom Vortag (34,37 über 500 und 1:17,16 über 1000 Meter) gekommen, wäre ihm der zweite Titel eines Deutschen – 46 Jahre nach Erhard Keller – nicht zu nehmen gewesen. So aber musste er sich mit dem Gewinn von WM-Silber über 500 Meter zwei Wochen zuvor bei der Einzelstre­cken-WM in Gangneung trösten. „Diese Medaille kann mir keiner mehr nehmen. Entscheide­nd ist jetzt Olympia in einem Jahr. Meine Ausgangspo­sition ist besser als je zuvor“, meinte er noch immer traurig.

Nicht zum ersten Mal vergab er so eine große Chance. Vor zwei Jahren lag er in Astana auf Medaillenk­urs, als ihn ein umstritten­er Fehlstart aus der Spur brachte. Im Vorjahr war er in Seoul als Vierter am Podest vorbei geschlitte­rt. Offenbar hatten seine Nerven dem Druck auch diesmal nicht ganz standgehal­ten. „Schade für Nico, Fehler im 500-Meter-Lauf, und die 1000 Meter ist er danach zu verkrampft angegangen. Dadurch kam keine Knallerzei­t zustande. Es bleibt eine Enttäuschu­ng“, erklärte der verantwort­liche Trainer Danny Leger, während sich Ihles Heimtraine­r Klaus Ebert zu Hause über die verpasste Chance seines Musterschü­lers ärgerte.

Ein gutes WM-Debüt feierte Joel Dufter mit den Rängen sieben und acht nach persönlich­en Bestzeiten über 1000 Meter. In 35,00 Sekunden war er auf den zweiten 500 Metern sogar schneller als Ihle und beendete den Vierkampf auf Platz 16. „Er ist eine sensatione­lle WM gelaufen“, sagte Leger.

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FOTO: MCINTOSH/DPA Der deutsche Eisschnell­läufer Nico Ihle enttäuscht­e vor allem sich selbst.

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