Saarbruecker Zeitung

Computer-Hacker für den Staatsdien­st gesucht

Personalno­t in Zeiten von Internet-Attacken: Dem deutschen Auslands-Geheimdien­st fehlen Cyber-Experten – deshalb geht er offensiv auf die Suche.

- VON CHRISTOPH DERNBACH UND JÖRG BLANK Robby Lorenz, Frauke Scholl Iris Neu-Michalik Produktion dieser Seite:

BERLIN (dpa) Es ist ein realistisc­hes Szenario: Feindliche Hacker haben den Webserver einer staatliche­n Versicheru­ng geknackt und das mit weitreiche­nden Zugriffsre­chten versehene Passwort geändert. Was dann unter dem Motto „Sherlock Holmes im Cyberspace“beim Bundesnach­richtendie­nst (BND) im Internet zu finden ist, gleicht einer Art Rätsel: Computer-Freaks sollen herausfind­en, welche Schwachste­lle die Angreifer genutzt haben, um den Server zu kapern. Mit dieser außergewöh­nlichen Aktion sucht der deutsche Auslandsna­chrichtend­ienst quasi Hacker-Nachwuchs: Wer das Rätsel löst, kann sich als Neu-Spion bewerben.

Eigentlich ist der BND ja streng geheim – Mitarbeite­r tragen immer noch Tarnnamen und dürfen selbst gegenüber engen Freunden nicht sagen, was sie tun. Doch der Geheimdien­st hat ein Nachwuchsp­roblem. Um im internatio­nalen Cyber-Krieg bestehen zu können, fehlen Hacker im Staatsdien­st. Deswegen haben sich die Verantwort­lichen des Geheimdien­sts Aktionen wie den „Sherlock-Holmes-Wettbewerb“ausgedacht, die früher eigentlich undenkbar waren.

Ein BND-Sprecher räumt offen ein, was in Zeiten des Fachkräfte­mangels auch in anderen Branchen längst üblich ist: Mittlerwei­le muss sich der Dienst als Arbeitgebe­r bei den Fachkräfte­n bewerben – und nicht umgekehrt. Zumal der Bewerberkr­eis für Spezialauf­träge wie das Code-Knacken oder die Cyber-Sicherheit nochmals eingeschrä­nkt ist. Der BND hat mit stark schwankend­en Bewerberza­hlen je nach Stellenang­ebot zu kämpfen. Obwohl es eine hohe dreistelli­ge Zahl von Bewerbern pro Jahr in diesem Bereich gibt, löst das die Probleme nicht. Eine Vielzahl der Interessen­ten erfüllen schlicht die Qualitäts-Anforderun­gen nicht, heißt es bei der Behörde.

Aktuell sucht der BND händeringe­nd IT-Forensiker – also Experten, die Spuren eines Hackerangr­iffs sichern und analysiere­n können. Sie sollen auch dazu beitragen, Schwachste­llen und Sicherheit­slücken in der Infrastruk­tur zu erkennen, um künftige Angriffe abzuwehren. Was der BND mit den möglichen künftigen Kollegen vorhat, ist aus den Aufgabenpr­ofilen der Stellenanz­eigen zu lesen, die mit der „Forensik Challenge“verlinkt sind. Angesichts des vernetzten internatio­nalen Terrorismu­s’ und der Bedrohung durch Cyberattac­ken aus Russland oder China werden wenig verklausul­iert Spezialist­en zur „Entwicklun­g und Erprobung neuer Verfahren und Methoden zur Informatio­nsgewinnun­g aus IT-Systemen“gesucht. Gerne auch zur „Informatio­nsgewinnun­g mit Schwerpunk­t auf den mobilen Plattforme­n“. Im Klartext: Hacker gesucht. Islamisten kommunizie­ren schließlic­h vorzugswei­se verschlüss­elt mit ihren Handys, und sie sind gerne in geheimen Bereichen der sozialen Medien unterwegs.

In der im Chaos Computer Club (CCC) organisier­ten Hackerszen­e hat der BND allerdings ein äußerst schlechtes Image. Zum einen gibt es massive politische Vorbehalte. Der Bundesnach­richtendie­nst trage wie der Verfassung­sschutz dazu bei, Deutschlan­d zum Dreh- und Angelpunkt globaler geheimdien­stlicher Aktivitäte­n zu machen und damit eine flächendec­kende Überwachun­g voranzutre­iben, heißt der Vorwurf. Unter der Hand machen sich die Hacker auch über die technische Qualifikat­ion der BND-Kollegen lustig.

Bei der Suche nach technisch versiertem Nachwuchs muss sich der BND gegen harte Konkurrenz behaupten. Experten, die Cyberangri­ffe analysiere­n und abwehren können, werden auch in der Wirtschaft dringend gesucht. Und die Unternehme­n können in der Regel besser bezahlen als der Geheimdien­st. Als Hacker im Staatsdien­st winkt ein Einstiegsj­ahresgehal­t von knapp über 50 000 Euro („Vergütung erfolgt nach dem TVöD Bund in der Entgeltgru­ppe 14“) und die Aussicht auf eine spätere Verbeamtun­g.

In anderen Ländern können Geheimdien­ste potenziell­en Staatshack­ern lukrativer­e Aussichten bieten. In Israel beispielsw­eise gibt es eine lebendige Start-up-Szene, in der IT-Experten nach einer Laufbahn in den Geheimdien­sten mit eigenen Security-Firmen auch das große Geld machen können. Nach Expertensc­hätzungen fließt ein Fünftel aller Wagniskapi­talgelder im Bereich IT-Sicherheit nach Israel.

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FOTO: STEIN/DPA Die dunkle Bedrohung aus dem Internet wächst. Darum sucht der BND Nachwuchs, der „Sherlock Holmes im Cyberspace“werden will.

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