Saarbruecker Zeitung

Kein Wischiwasc­hi im Wahlkampf mehr

LEITARTIKE­L

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Sicher, CSU-Chef Horst Seehofer hatte schon mal mehr Schwung und war besser bei Stimme, und SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz muss langsam aufpassen, dass man seiner Lebensgesc­hichte nicht überdrüssi­g wird. Trotzdem war es ein guter Aschermitt­woch. Denn jenseits der üblichen politische­n Folklore, die nun mal dazugehört wie die Kamelle zum Rosenmonta­g, ist jetzt endgültig klar: Der Wahlkampf wird mit einer Polarisier­ung geführt werden, die nicht mehr nur von rechts kommt.

Sie findet endlich auch wieder zwischen den großen Parteien statt. Kein einschläfe­rndes Wischiwasc­hi mehr, es wird in den kommenden Monaten hart um Inhalte und das beste Personal gehen. Das ist die Botschaft von Passau und Vilshofen. Und ein bisschen auch von Demmin, wo die Kanzlerin aufgetrete­n ist.

Der anstehende Wahlkampf wird auch aus einem anderen Grund besonders interessan­t werden. So viele Unwägbarke­iten wie selten zuvor warten in nächster Zeit auf die Parteien und ihre führenden Köpfe. Vielleicht erklärt dies, warum die CDU-Vorsitzend­e Angela Merkel grundsätzl­ich die Strategie des Abwartens bevorzugt, statt schon jetzt voll in die Auseinande­rsetzung mit ihrem SPD-Herausford­erer Schulz einzusteig­en (wie es einige ihrer Parteifreu­nde fordern). Demnächst wird in den Niederland­en und in Frankreich gewählt. Setzen sich dort die Rechtsnati­onalen durch, wird das Auswirkung­en auf Deutschlan­d und Europa als Ganzes haben. Dann ist wieder die Krisenmana­gerin im Kanzleramt gefordert, und Schulz kann nicht mehr tun, als besorgt zu mahnen. Merkel weiß das. Eurokrise, Brexit, transatlan­tische Beziehunge­n, alles Themen, die ebenfalls noch anstehen und bei denen vor allem Merkel punkten kann.

Mehr Risiken bergen für sie hingegen die anstehende­n Landtagswa­hlen. Den Auftakt macht Ende März das diesmal besonders wichtige Saarland. Verliert Annegret Kramp-Karrenbaue­r ihren Posten als Ministerpr­äsidentin, wäre dies auch ein herber Rückschlag für die Kanzlerin. Statt auf sowieso schon bescheiden­e vier, käme die CDU dann nur noch auf drei Regierungs­chefs in den Ländern. Die Debatte darüber, welche Schuld Merkel trägt und ob sie tatsächlic­h noch die richtige Kandidatin für den Bund ist, würde neu entflammen. Und wenn die SPD an der Saar den Schulz-Schwung in deutliche Gewinne umsetzen kann, wäre der Auftakt der Genossen ins Super-Wahljahr perfekt. Bleibt umgekehrt alles beim Alten im Saarland, gäbe es für den Herausford­erer einen ersten Dämpfer.

Im Mai dann der Urnengang in Schleswig-Holstein und anschließe­nd der noch wichtigere in Nordrhein-Westfalen. Eine kleine Bundestags­wahl. Spätestens danach wissen alle Parteien, wo sie sich in der Wählerguns­t ungefähr verorten können. Eine Vorentsche­idung ist das NRW-Ergebnis zwangsläuf­ig zwar nicht – aber doch ein deutlicher Fingerzeig in einem besonders spannenden und unkalkulie­rbaren Wahljahr.

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