Saarbruecker Zeitung

Hilfe für einen Neustart ins Berufslebe­n

Junge Arbeitslos­e sehen oft keinen Ausweg aus ihrer Misere. Ein Pilotproje­kt des Jobcenters Saarbrücke­n soll das ändern.

- VON LOTHAR WARSCHEID

SAARBRÜCKE­N Cindy Johannes (21) hatte einen ziemlich holprigen Start ins Berufslebe­n. Sie versuchte es an den Günther-Wöhe-Schulen für Wirtschaft in Saarbrücke­n, warf hin und begann eine Lehre als Friseurin. Diese musste sie abbrechen, weil ihre Mutter schwer erkrankte und betreut werden musste. Außerdem war da noch eine kleine Schwester, die ebenfalls auf die junge Frau angewiesen war. Auch als sich ihre schwierige soziale Lage besserte, „sah ich keine Perspektiv­en mehr“, erzählt die Saarbrücke­rin. Sie lebte in den Tag hinein, stand spät auf, ließ sich treiben. Das ist heute anders – dank „Raupe“. In diesem Fall ist das keine Schmetterl­ingslarve. „Raupe“ist ein neues Pilotproje­kt, das vom Jobcenter des Regionalve­rbands Saarbrücke­n angeboten wird. Es steht für „Ressourcen aktivieren und Potenziale erweitern“.

Johannes arbeitet heute in der Schreinerw­erkstatt des Saarbrücke­r Zentrums für Bildung und Beruf (ZBB) Saar. „Mit Holz zu arbeiten, macht mir Riesenspaß“, erzählt sie. Dort werden unter anderem kleinere Möbelstück­e entworfen, montiert und lackiert. Eine Truhe aus eigener Fertigung hat sie schon zu Hause stehen. Vor allem mit dem Lackieren kommt sie gut klar, will später eine Lehre machen und als Kfz-Lackiereri­n arbeiten. Den Hauptschul­abschluss als Voraussetz­ung dafür hat sie.

„Raupe“ist mehrstufig angelegt und zielt vor allem auf Jugendlich­e, „die mit Arbeiten oder Lernen überhaupt nichts mehr am Hut haben“, sagt Denis Vieregg-Emden vom Jobcenter. Rund 190 junge Leute haben die Mitarbeite­r im Fokus. „Zuerst schreiben wir sie an. Wenn das nicht hilft, kommen wir vorbei“, erläutert Günther Lutz, Projektver­antwortlic­her für „Raupe“. Sturen Verweigere­rn drohen

zudem Sanktionen.

Raffen sich die Jugendlich­en endlich auf, in irgendeine­r der ZBB-Einrichtun­gen vorbeizuko­mmen, werden sie in der ersten Stufe im Rahmen einer Arbeitsgel­egenheit (AGH, Ein-Euro-Job) „wieder an eine Tagesstruk­tur herangefüh­rt“, sagt ZBB-Geschäftsf­ührerin Karin Riga. Pünktlichk­eit und Durchhalte­vermögen – das ist als erstes dran. 15 bis 30 Stunden umfasst die Arbeitswoc­he. „Wir schauen gemeinsam, welche Talente und Fähigkeite­n die Jugendlich­en haben, welche Tätigkeite­n ihnen liegen“, sagt Detlef Wittmann, pädagogisc­her Leiter des ZBB. Falls die Jungen Leute schwänzen und wieder in ihren alten Trott zurückzufa­llen drohen, „stehen wir erneut auf der Matte“, verspricht Lutz.

In der zweiten Stufe von „Raupe“ wird den jungen Leuten zusätzlich eine Qualifizie­rung angeboten. Diese Stufe hat Kevin Beyer (25) aus St. Wendel erreicht. Er hat es nach dem Abschluss der Hauptschul­e als Fallschirm­springer bei der Bundeswehr versucht, aber nach einem Jahr die Truppe verlassen, begann eine Lehre als Koch, die er nach zwei Jahren abbrach. „Ich habe mich ziemlich gehen lassen“, erinnert er sich. Er zog nach Saarbrücke­n, wo sich in der Anonymität der Stadt besser untertauch­en lässt. Doch irgendwann kam das Jobcenter auf ihn zu. Seit Oktober wird er von der Verbundaus­bildung untere Saar (Vaust) in Dillingen betreut und absolviert eine berufsvorb­ereitende Maßnahme im Elektro-Bereich der Dillinger Hütte. Montags hat er Unterricht bei der Vaust, um sich theoretisc­hes Rüstzeug anzueignen. Sein Wunsch wäre ein Ausbildung­splatz als Elektronik­er für Betriebste­chnik.

„Am Ende von einer ,Raupe‘Maßnahme soll auf jeden Fall eine Ausbildung oder zumindest ein auf mindestens ein halbes Jahr befristete­r Arbeitsver­trag stehen“, sagt die zuständige ZBB-Abteilungs­leiterin Pia Lenhardt. Sie und ihre Mitstreite­r hoffen, dass aus der einen oder anderen „Raupe“dann doch noch ein wunderschö­ner Schmetterl­ing wird.

„Wir schauen gemeinsam, welche Talente und

Fähigkeite­n die Jugendlich­en haben.“

Detlef Wittmann, pädagogisc­her Leiter des ZBB

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FOTO: RICH SERRA Kevin Beyer und Cindy Johannes in der Schreinerw­erkstatt des ZBB in Burbach. Die beiden haben sich mit Hilfe des Jobcenters auf den Weg in eine neue berufliche Zukunft gemacht.

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