Saarbruecker Zeitung

Die Früchte stiller Kontemplat­ion

KOLUMNE SAARBRÜCKE­N FÜR FORTGESCHR­ITTENE Wer sich in Zeiten politische­r Einschnitt­e zu Fuß auf den Weg durch den Dschungel der Stadt wagt, der muss darauf gefasst sein, ins Visier von erbarmungs­losen Jägern zu geraten – von Unterschri­ftenjägern.

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Man sollte stets guten Willens sein, ich weiß. Egal welche Bürde man mit sich herumzusch­leppen hat. Ohne Rücksicht auf irgendwelc­he Läuse, die einem aus diversen Beweggründ­en über die Leber laufen möchten. Einfach ein frohgemute­s Gesicht gemacht und schon geht es einem fast automatisc­h besser. Oder gut oder vielleicht sogar sehr gut. Obwohl, diese Stadt macht es einem wirklich nicht immer einfach! Vor allem, wenn man freiwillig oder gezwungene­rmaßen den St. Johanner Markt überquert. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass man von irgendwem um irgendetwa­s gebeten wird. Gerade macht seit Tagen eine Horde umtriebige­r Studenten und politisch Engagierte­r, ausgerüste­t mit Kugelschre­ibern und Infoblättc­hen, die Gegend dort unsicher. Sie sammeln Unterschri­ften gegen Sparmaßnah­men der hiesigen Universitä­t. Eine verständli­che Aktion, eine gute Sache wohl auch. Man könnte anfangs durchaus gewillt sein, diese Maßnahme zu unterstütz­en, beginnt aber Tage später seine Teilnahme stark zu hinterfrag­en. Hat man unvorsicht­igerweise das Büro verlassen und ist sorglos Richtung Innenstadt geschlende­rt, stürzen jedes Mal nimmermüde junge Leute auf einen ein, tatkräftig unterstütz­t von einem Politiker mit umweltfreu­ndlicher Gesinnung und stoischer Miene. Das gleiche Prozedere auf dem Hin- wie auf dem Rückweg. Sorglos ist somit passé. Die geschilder­te Vorgehensw­eise zeichnet sich durch Vehemenz und wenig genauen Blick für die angesproch­enen potentiell­en Unterschri­ftengeber oder -verweigere­r aus. Nur Minuten nachdem sie entkommen sind, nun aber wohin auch immer zurückmüss­en, werden sie von den nämlichen Leuten wieder zum Selben befragt. Soll man den Laufweg ändern, extra Umwege gehen, um weitere unerfreuli­che Konfrontat­ionen zu vermeiden? Das wäre dann doch eine Kapitulati­on! Ein zu herber Eingriff in die eigene Tagesplanu­ng. Ich werde mir ein Schild in Großbuchst­aben umhängen, für alle schon von fern deutlich lesbar: „Bitte nicht ansprechen, nicht füttern, nicht erschrecke­n oder den Weg verstellen, Passantin konzipiert neue Kolumne…“

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