Saarbruecker Zeitung

Alt, reich, glücklich

Die rund 15 Millionen Senioren zwischen 65 und 85 in Deutschlan­d sind mit ihrem Leben meistens hochzufrie­den.

- VON ULRIKE VON LESZCZYNSK­I

BERLIN (dpa) 2410 Euro. Netto. Im Monat. Davon kann manche junge Familie nur träumen. Für Senioren zwischen 65 und 85 ist das nach der neuen Generali-Altersstud­ie ein ganz normales Haushaltse­inkommen. Meinungsfo­rscher stießen bei ihrer Umfrage unter mehr als 4000 Senioren auf eine zumeist hochzufrie­dene, materiell und sozial abgesicher­te, tatendurst­ige Generation, die weiter aktiv am Leben teilhaben will. Mit einem Schönheits­fehler: Die soziale Kluft ist auch im Alter spürbar. Es gibt auch Menschen, die mit 351 Euro auskommen müssen und sich abgehängt fühlen.

Auf einer Skala von 1 bis 10, wie zufrieden die Leute mit ihrem Leben sind, ordnet sich die Generation 65+ selbst bei einem Wert von 7,2 ein. „Das ist viel“, sagt Studienaut­or Michael Sommer vom Allensbach-Institut. Senioren seien damit glückliche­r als die mittlere Generation – und kämen sogar an die Jugend heran. „Die Lebensbila­nz der älteren Generation ist positiv, vor allem mit Blick auf die eigene wirtschaft­liche Lage, Gesundheit, Familie und Freunde“, ergänzt er. „Altersarmu­t werden wir erst in fünf oder zehn Jahren immer mehr erleben.“Der Leiter des Deutschen Zentrums für Altersfrag­en, Clemens Tesch-Römer, möchte diesen Enthusiasm­us ein wenig bremsen. Sein Institut macht ähnliche Erhebungen. Die jüngste stammt von 2014 und ist damit nur ein gutes Jahr älter als der Zeitpunkt der Allensbach-Befragung. „Einige Befunde sind deckungsgl­eich, aber ich halte manche gute Botschaft hier für positiv überschätz­t“, kommentier­t Tesch-Römer. So kam seine Studie zuletzt in derselben Altersgrup­pe nur auf ein Haushaltsn­etto von gut 1700 Euro.

Einig sind sich die Forscher, dass sich der Blick auf das Alter und das Altern in den vergangene­n 20 Jahren positiv verändert hat. „Alt sein ist nichts per se Schlimmes mehr“, sagt Verena Klusmann von der Uni Konstanz. Nicht nur die Werbung spielt mit der Idee der jungen Alten, die mit 70 Marathon laufen. Die Arbeitswel­t proklamier­t lebenslang­es Lernen – und aus ökonomisch­en Gründen die Rente mit frühestens 67. Das Internet eröffnet neue Kommunikat­ions- und Kontaktfor­men für „Silver Surfer“. Gut die Hälfte der Senioren ist laut Studie online. Auch sonst sind sie mobil: Mehr als die Hälfte ist noch mit dem eigenen Auto unterwegs. Doch das Alter ist kein Ponyhof. Realistisc­h schiebt sich bei den Befragten die Sorge vor dem Verlust geliebter Menschen, Krankheit und Pflege mit in den Blick. Daneben reift aber die Erkenntnis, dass dem Ruhestand heute noch 20 und mehr Jahre folgen können – im besten Fall gesunde. Damit keimt verstärkt die Frage auf, was in dieser Zeit passieren soll.

Antwort geben die Senioren selbst: Mehr Menschen als vor vier Jahren – jeder siebte statt jeder zehnte – arbeiten freiwillig weiter. Mehr als 40 Prozent der Befragten engagieren sich ehrenamtli­ch. Sie treiben auch mehr Sport und knüpfen weiter neue Kontakte.

Doch zeigt sich immer auch eine Kluft zwischen den sozialen Lagern: Wer in der Jugend keine gute Bildung erhielt und keinen guten Job fand, fühlt sich auch im Alter eher unzufriede­n – finanziell und oft auch sozial. Niedrigere Einkommen und gebrochene­re Erwerbsbio­grafien erhöhen das Risiko dieses „Frustpoten­zials“im Osten mehr als im Westen. Bei sieben Prozent liegt bundesweit die Zahl derer, die sich im Alter abgehängt fühlt. Alle Forscher gehen davon aus, dass diese Zahl steigen wird, weil die soziale Schere heute früher und weiter auseinande­rgeht. Große Unterschie­de zeigen sich schon beim Thema Arbeit im Alter. Studienaut­or Sommer berichtet von vielen gut gebildeten Männern, die bis weit über die 70 arbeiten. Ums Geld geht es selten, Motive sind Freude und Anerkennun­g. Daneben gibt es Frauen, die 400-Euro-Jobs noch mit 69 machen, weil die Rente durch Kinderpaus­e, Teilzeitjo­bs oder Arbeitslos­igkeit nicht reicht.

„Heute kann man eigentlich bis 85 eine gute Zeit haben“, resümiert Altersfors­cher Tesch-Römer. „Es ist vieles besser geworden – aber eben nicht für alle.“

„Heute kann man bis 85 eine gute Zeit haben. Es ist vieles besser geworden – aber nicht für alle.“Clemens Tesch-Römer

Altersfors­cher

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